Gesundheit,  Stressmanagement

Was ist Leisure Sickness?

Kennst du das Phänomen auch? Den letzten Arbeitstag hast du noch einigermaßen gut herumgekriegt, dein Koffer ist gepackt, dein Flieger steht schon in den Startlöchern – der wohlverdiente Urlaub beginnt am nächsten Tag. Geplant ist: Mallorca, Strand, Sonne, Drinks, Wandern, Entspannung, leckeres Essen. Die Vorfreude ist groß. Aber dann merkst du es schon am Flughafen: Du bist nur noch müde, die Nase fängt an zu laufen, deine Stimme wird zunehmend kratziger. Im Hotel fällst du nur noch ins Bett und willst am liebsten nicht mehr aufstehen.

Letztendlich wurde es Mallorca, Sonne, Bett, Fieber und Schüttelfrost, Übelkeit, genervt sein, tropfende Nase. Du denkst dir: “Urlaub vom Urlaub, das wäre jetzt fein”.

Krank in der freien Zeit – wie das?

Nathan Dumlao auf Unsplash

Leisure Sickness” oder auch Freizeitkrankheit wird dieses Krankheitsbild genannt. Es kommt nicht nur im Urlaub vor, es kann dich auch am Wochenende treffen. Oder nach einer anstrengenden Prüfungsphase. Kaum kommst du zur Ruhe, schon melden sich die ersten Krankheitszeichen. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov hat mit der IUBH (Internationale Hochschule Bad Honnef) bereits 2017 dieses Phänomen untersucht. Das Ergebnis vor bereits 7 Jahren: Jeder Fünfte:r in Deutschland ist von Leisure Sickness betroffen. Das zieht sich quer durch alle Berufsgruppen.

Einer besonderen Gefährdung sind vor allem jedoch die Menschen ausgesetzt, die zum einen viele Überstunden machen (die sogenannten „Workaholics“), die ein hohes Pflichtbewusstsein haben, die meinen, ständig erreichbar sein zu müssen (auch außerhalb der eigentlichen Arbeitszeiten), die perfektionistisch veranlagt sind.

Zudem haben Untersuchungen ergeben, dass Menschen, die wenig Ausgleich zur Arbeit haben, die sich zum Beispiel kaum mit Bewegung / Sport entspannen oder anderweitig den Kopf „durchpusten“ und ihn freibekommen, ebenfalls ein höheres Risiko für Leisure Sickness haben.

Warum ist das so?

Was passiert im Körper?

Du könntest nun denken: Okay, die freie Zeit macht uns krank. Der Umkehrschluss wäre: also gönnen wir uns keine freie Zeit, dann bleiben wir gesund. Aber letztendlich ist es nicht das, sondern bereits die Zeit davor. Natürlich kann es sein, wenn du dann endlich im Liegestuhl am Strand in der Sonne liegst, dass die Ablenkung durch die Arbeit fehlt und dein Fokus viel schneller darauf gelenkt wird, wo es zwickt und zwackt und wie erschöpft du tatsächlich bist.

Aber viel mehr ist es das Wechselspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus. Schon mal davon gehört? Einfach ausgedrückt: Durch Stress wird der Sympathikus aktiviert. Dein Körper schüttet Stresshormone (Adrenalin und etwas zeitverzögert Cortisol für noch mehr Energie) aus. Dadurch wird unter anderem die Konzentration erhöht, dein Herzschlag schneller, deine Lungen funktionieren besser, die Muskeln werden mit mehr Sauerstoff versorgt. Alles eine sinnvolle Reaktion, die aber aus der Steinzeit stammt. Denn wenn der Säbelzahntiger vor unseren Vorfahren stand oder eine sonstige Gefahr drohte, mussten sie blitzschnell entscheiden, ob sie kämpfen, flüchten oder einfrieren (fight, flight or freeze). Dazu mussten die Muskeln und die Reaktion optimal funktionieren, sonst: game over. Um jetzt aber möglichst viel Energie bereitzustellen, unterdrückt der Körper die Reaktionen, die für bzw. gegen die Gefahr zunächst nutzlos sind. Dazu gehört auch das Immunsystem. Erkältungssymptome einer möglichen Ansteckung bleiben zunächst aus. 

Ist die Gefahr schließlich gebannt, dann übernimmt wieder der Parasympathikus. Der Stress ist quasi “erledigt”, unser Körper kann sich nun in Ruhe um die Viren und Bakterien, die sich im Körper befinden, kümmern. Soweit so gut. Stehen wir jedoch unter Dauerstress, kann der Hormoncocktail nicht mehr richtig abgebaut werden, die Immunantwort wird ständig unterdrückt. Der Körper lernt, dass er bei Stress nicht krank werden darf und gewöhnt sich schließlich an diese Situation. Jetzt steht aber der Urlaub an, dein Stresslevel fällt urplötzlich ab, und so können die Viren und Keime ungehindert zuschlagen. Nicht nur du willst Urlaub machen, dein Immunsystem auch. Denn der Körper kommt mit der plötzlichen Entspannung überhaupt nicht zurecht. Die Folge: Je nachdem, welcher Erreger in unserem Körper herumschwirrt, werden wir mehr oder weniger krank. Angefangen mit Kopfschmerzen, einfachen Erkältungssymptomen, Erschöpfung bis hin zur bleiernen Müdigkeit, Migräne, Grippe, Magen-Darm-Infekt. Und das direkt zu Beginn des Urlaubs.

Mittlerweile ist nachgewiesen, dass sich bei chronischem Stress das Immunsystem verändert (mehr dazu hier), er kann die Wundheilung verlangsamen (mehr in diesem Artikel)und noch viel mehr Funktionen im Körper besorgniserregend verändern. Wenn du mehr dazu lesen willst, dann findest du hier (im Nachruf zu Ron Glaser) zahlreiche Artikel von Ron Glaser von der Ohio State University.

Für einige kann es sogar noch weiter gehen: Wenn deine Arbeit einen großen Teil deines Sinnes des Lebens ausmacht, du perfektionistisch veranlagt bist, nicht gut loslassen kannst (ich sage nur ständige Erreichbarkeit), dann kann dich eine plötzliche Leere in der Zeit der Ruhe und Entspannung befallen. Eine mögliche Folge kann eine depressive Verstimmung / Phase sein.

Oder aber du kannst gar nicht mehr richtig entspannen, das Zusammenspiel zwischen Sympathikus und Parasympathikus ist komplett entgleist. Dein Körper hat sich an die Daueranspannung und den Hormoncocktail im Körper gewöhnt, er arbeitet ständig auf Hochtouren. Dann empfindest du Leerlauf, also Zeiten, in denen du nichts zu tun hast, weil du ja entspannen willst, als puren Stress. Dein Körper wird unter der Daueranspannung krank und kann sich nicht mehr regenerieren. Deine Psyche reagiert darauf, die Warnsignale kannst du häufig nicht mehr wahrnehmen. Was ist eine mögliche Folge? Neben möglichen Herz-Kreislauferkrankungen natürlich Burnout.

Mood von Rosy auf Pixabay

Was kannst bzw. was solltest du tun?

Wenn du dich in der obigen Beschreibung wiederfindest, du also häufiger erkrankst, sobald eine Ruhephase eintritt, dann solltest du dringend überlegen, was du tun kannst, damit es gar nicht erst so weit kommt. Ich weiß, es ist nicht immer leicht, deinen Stress im Alltag im Zaum zu halten, aber den einen oder anderen Tipp möchte ich dir mitgeben:

  • Vor dem Urlaub bereits etwas herunterfahren. Ja, ich gehöre auch zu der Gattung, die gerne möglichst alles vor dem Urlaub erledigt haben möchte. Und damit meinte ich noch vor ein paar Jahren wirklich alles: alle Post erledigen, Bettbezüge waschen, Fenster putzen, Wiese mähen (die nach dem Urlaub eh so hoch ist, dass man nicht sieht, wann sie zuletzt gemäht wurde) etc. Mittlerweile versuche ich mich auf das zu fokussieren, was wirklich wichtig ist und überlege lieber einmal mehr als zu wenig, ob das nicht bis nach dem Urlaub warten kann. Dazu gehört für mich auch, dass ich, sofern wir wegfliegen, rechtzeitig zum Ort des Abfluges fahre, lieber einmal schon übernachte, statt gehetzt in den Flieger zu steigen.
  • Ich informiere mich vorher, was ich auf alle Fälle am Urlaubsort sehen will – mit genügend Puffer dazwischen. Unterwegs treffen wir immer wieder auf andere Tourist:innen, die Tipps haben, was sehenswert ist. Einen festen Plan haben wir schon lange nicht mehr. Ich kann mich an unsere erste Rucksackreise erinnern, zu der ich selbst die Karte abgezeichnet habe (Handys gab es da noch nicht) und die Orte markiert habe, die wir besuchen sollten. Unnötig zu erwähnen, dass das in der uns zur Verfügung stehenden Zeit gar nicht möglich war und wir die liebevoll gezeichnete Karte relativ schnell im Müll versenkt haben. Offen sein und bereit sein, etwas komplett anderes zu machen, erleichtert uns mittlerweile das Reisen enorm.
  • Nicht zu viel erwarten. Ja, der Urlaub soll für viele die „Schönste Zeit des Jahres“ werden. Da muss dann aber auch alles klappen, die Unterkunft super sein, das Essen bombastisch, die Sehenswürdigkeiten unübertroffen und am besten touristenfrei. Leider passiert das nicht immer und so trägst du Enttäuschung, womöglich auch Ärger mit dir herum. Das stresst wiederum deinen Körper erneut und Abschalten ist nur schwer möglich. Wenn mal etwas nicht klappt? Ja und? Etwas mehr Gelassenheit, dann ist auch der Ärger kleiner.
  • Handynutzung im Urlaub einschränken: Leg doch öfters dein Handy weg oder – noch besser – schalte es einfach aus. Ich nutze die „Bitte nicht stören”-Funktion. So kommen wichtige Anrufe oder Nachrichten der allerengsten Familie noch durch, ab 21 Uhr bis zum nächsten Morgen um 9 Uhr habe ich vom Rest der Welt Ruhe (das kannst du selbst bestimmen). Probiere es mal aus, es kann sehr entlastend sein.
  • Lerne dich im Alltag zu entspannen: Wichtig ist nicht der große Urlaub einmal im Jahr, sondern viele, viele kleine Pausen, sogenannte Mikropausen, im Alltag.  Damit meine ich nicht den Spaziergang um den Block in der Mittagspause, obwohl der auch schon Wunder wirkt. Ich meine viel mehr solche Pausen wie in Ruhe einen Schluck Wasser nehmen, am geöffneten Fenster mal tief ein- und ausatmen, solche kleinen Dinge. Die helfen, unseren Stresslevel im Zaum zu halten und die Batterie nicht vollkommen zu entladen. Natürlich sind Programme wie z.B. Yoga, Bewegung, autogenes Training, Meditation auch sehr hilfreich, aber fang doch erst mal klein an. Du wirst sehen, das bringt auch schon etwas. Was ist das für ein Leben, wenn du nur noch von Wochenende zu Wochenende oder von Urlaub zu Urlaub hechelst und dir überlegst, wie du die Zeit dazwischen überlebst. Wenn du das machst, dann solltest du deine eigene Planung für den Alltag gründlich überdenken!
  • Die Einstellung verändern: wenn du Perfektionist:in bist, dann überlege doch mal genau, ob statt der üblichen 120 %, die du gibst, auch 95 reichen? Oder ob dir deine derzeitige Arbeit überhaupt guttut? Es gibt sicher noch mehr Tipps, aber das würde diesen Artikel auch sprengen. Also überlege einfach mal, was dir hilft, dem Leisure-Sickness-Syndrom vorzubeugen, um solchen Ausfallerscheinungen vorzubeugen.

Fazit

Die Lebenserwartung des Patienten kann durch das Leisure-Sickness-Syndrom erheblich verringert und eingeschränkt werden. So leiden die Betroffenen z.B. an Bluthochdruck, was zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen kann. Aber auch die Psyche und das Nervensystem reagieren irgendwann auf die ständige Anspannung mit z.B. einem Burnout.

Auszeit in Norwegen

Unternimmst du nun etwas dagegen, veränderst z.B. deine Lebensgewohnheiten, deine Einstellung, deinen Alltag, dann besteht eine gute Aussicht, dem Leisure-Sickness-Syndrom – und noch viel wichtiger, deinem Dauerstress – Lebewohl zu sagen. Dazu müssen deine persönlichen Stressoren identifiziert und verändert sowie dein Alltag optimiert werden. Deshalb solltest du dein Leben selbst in die Hand nehmen, um handlungsfähig zu bleiben und dein Leben wieder leben zu können und nicht den Eindruck zu haben, “gelebt zu werden”.

Du willst endlich “in die Puschen kommen” und umsetzen? Dann habe ich was für dich: Ende August startet meine 14-Tages-Challenge “Keine Zeit für Stress”. Du bekommst jeden Tag eine E-Mail mit ein wenig Theorie, aber vor allem auch praktischen Vorschlägen. Nicht, wie du stressfrei wirst, das wird es nicht geben, sondern wie du gut mit Stress umgehen kannst und so etwas wie eine Leisure sickness keine Chance hat. Der erste Durchlauf ist derzeit für dich kostenfrei. Du kannst mir jetzt schon eine E-Mail schreiben, wenn du dabei sein willst. Oder melde dich einfach für meinen Newsletter an, da erhältst du als erstes die Anmeldeinformationen.

2 Kommentare

  • Mariett Niemann

    Vielen Dank für diese Erklärungen und Erinnerung. Ich bin 55 geworden und ich habe mir fest vorgenommen wieder mehr “zu leben”. Arbeit ist Arbeit und Feierabend ist Freizeit. Schöne Dinge erleben – mehr Achtsamkeit für mich – mehr Lebensqualität. Das wird mit jedem Lebensjahr wichtiger! Liebe Grüße

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