Persönliches

Handarbeitserinnerungen, die mich beeinflusst haben

Als ich die vielen tollen Themen der Blogparaden gelesen habe, bin ich an der von Anja Dix hängen geblieben, um sie auch gleich wieder zu verwerfen. Zu weit weg von meinen aktuellen Themen” dachte ich mir. Aber irgendwie hat mich das Thema nicht losgelassen. So habe ich mich dennoch entschieden, einen Beitrag zu ihrem Thema “Eine Handarbeitserinnerung, die mich beeinflusst hat” zu schreiben.

Stellenwert von Handarbeit in meiner Familie

Wenn ich an Handarbeiten denke, dann fällt mir als Erstes dazu ein, dass in meiner Familie sehr viel in Handarbeit hergestellt wurde. Es war günstiger, die Kleidung oder was auch immer selbst zu produzieren. Den eigenen Geschmack konnte man dabei meist einfließen lassen.

So erinnere ich mich an mein Erstkommunionkleid, das mir meine Patentante nähte, an diverse andere Klamotten wie Pullis, Handschuhe, Schals, Kleider für den Sommer, die in der Familie hergestellt wurden. Nun, ich muss einfügen: Meine Tante war Handarbeitslehrerin, meine Mutter und meine Oma konnten beide gut stricken, sticken und auch nähen. Ich habe heute noch dicke Wintersocken, die mir meine Oma gestrickt hat, weil ich immer kalte Füße hatte und habe. Sie sind für mich ein Wundermittel und in fast jedem Urlaub dabei.

Mein Kleid zur Erstkommunion

Meine eigene Handarbeitskarriere

Mit soviel Potenzial in der Familie war ja eh klar, dass das nicht spurlos an mir vorbeigehen konnte. Wenn ich an meine eigene “Handarbeitskarriere” zurückdenke, dann fällt mir als Erstes der Handarbeitsunterricht in der Grundschule ein. Häkeln ging ja noch. In der zweiten Klasse entstand dabei eine große Raupe, die mein Bruder während seines Klinikaufenthaltes von mir geschenkt bekam. Aber dann folgte der Horror in der dritten Klasse: Neben einer sogenannten Schlummerrolle, die mit den unterschiedlichsten Grundstichen zu besticken war (ich erinnere mich nicht einmal mehr an die Namen), mussten wir eine Tischdecke mit Kreuzstichen und einem bestimmten Muster besticken. Zudem sollte der Rand noch umhäkelt werden. Ich hasste diese Arbeit, zumal ich mich ständig “verstickte”, kein Ende in Sicht war und ich dachte, ich sitze in zehn Jahren noch daran. Meine Tante erbarmte sich irgendwann und unterstützte mich, sodass die Decke rechtzeitig fertig wurde. Seit dem habe ich nie, nie mehr gestickt!

Am Gymnasium hatten wir Mädchen Handarbeit, die Jungs werken (ja, ich bin schon eine ältere Generation, zudem in Bayern groß geworden). Ich fand das richtig gemein, denn sägen, matschen, all das machte ich gerne. Wir aber sollten mit der Nähmaschine nähen lernen. Nach einem furchtbaren Kopftuch (wer setzt noch ein Kopftuch auf?) sollte es ein dreistufiger Rock werden – kleiner ging ja nicht. Alle hatten denselben Schnitt, nur den Stoff durfte ich mir aussuchen. Den Rock mochte ich nicht. Ich zog ihn nie an, aber mich hatte der Ehrgeiz gepackt. Ich fand Nähen super, ich hatte relativ schnell ein Ergebnis und wir hatten zu Hause ja eine gute Maschine stehen, die ich benutzen durfte. Also nähte ich jede Menge Barbiekleider. Die Originale waren eh zu teuer und so konnte ich meinen Barbies eine individuelle Note aufdrücken.

Dann begann ich zu stricken. Das artete irgendwann in den oberen Klassen so aus, dass in der Abizeitung stand, meine gesammelten Strickwerke würden mindestens den halben Pausenhof füllen. Ich konnte mich wunderbar konzentrieren, während mir die Maschen automatisch von den Nadeln glitten. Später bestrickte ich alle Kinder, die neu in die Familie kamen, mit hoch komplizierten Mustern. Sogar im Studium nahm ich die Nadeln mit in die Vorlesung.

Eine besondere Handarbeit

Meine Familie mütterlicherseits floh nach dem Krieg aus dem Erzgebirge. Im Gepäck hatte meine Oma auch Klöppel und diverse Klöppelbriefe. In meinem Heimatort, in dem meine Familie geflüchtet war, gab es eine Klöppelschule. Die weiblichen Mitglieder meiner Familie konnten eh alle klöppeln. Also lernte ich es auch. Ich war bereits in der 4. Klasse (meiner Erinnerung nach) in der Klöppelschule und lernte die verschiedenen Schläge, aus denen die unterschiedlichen Spitzen entstanden. Irgendwann allerdings fand ich es nicht mehr ergiebig, immer Spitzen, die irgendwelche Stofftaschentücher oder Tischdecken zierten, zu produzieren und hörte damit auf. Aber ich kann heute noch klöppeln und habe die Utensilien, seit ich als erwachsene Frau für eine gewisse Zeit auch mit einem Kurs wieder darin eintauchte, bei mir stehen. Das Klöppeln entspannte mich immens, auch wenn es auf Außenstehende anders wirkt. Die Klöppelschule gibt es heute noch. Sie ist auch über meinen Heimatort hinaus bekannt. Seit nunmehr über 40 Jahren gibt es ein dazugehöriges Klöppelmuseum. Meine Spitzen können den Arbeiten dort nicht das Wasser reichen.

Ich merkte, sobald durch Handarbeit mit meiner eigenen Kreativität Dinge entstanden, die sinnvoll waren, machte ich das gerne. Aber eine Tischdecke in der dritten Klasse besticken?

Handarbeitsexperimentierphase

In meinem Freiwilligen Sozialem Jahr war ich in einer Einrichtung für psychisch erkrankte Menschen. Dort war ich der Ergotherapiegruppe zugeteilt. Was machten wir dort? Vorrangig nähen an der Nähmaschine. Perfekt für mich! So lernte ich das Nähen noch einmal von der Pike auf. In der Gruppe wurden überwiegend Patchworkarbeiten hergestellt.

Ich experimentierte mit Makramee, Töpfern, Emaillieren, Nähen, Seidenmalerei, Filzen und dergleichen mehr.

Als ich schwanger wurde, wollte ich etwas Einmaliges für das heiß erwartete Kind schaffen. Ich bekam von meiner Schwägerin einen Kinderwagen, den ich komplett neu mit einem Stoff bezog, der mir gefiel. Ich weiß noch, dass er knallrot mit Muster (stammte von Ikea) war. Auch in dem späteren Kinderzimmer gestaltete ich die Vorhänge, Kissen, Überzüge, sodass das Tochterkind eine einzigartige Ausstattung hatte, die uns allen gefiel.

Als sie geboren wurde, hielt ich zwei gehäkelte Babystrampler von meiner bereits verstorbenen Oma in Händen. Sie hatte beide vor ihrem Tod angefertigt, einen Brief dazu geschrieben und für mich verpackt. Mir liefen die Tränen. Auch so kann eine Handarbeit verbinden und Erinnerungen bewahren. Die beiden Strampler hatte das Tochterkind nie an, weil ich sie altbacken fand. Trotzdem habe ich sie aufbewahrt, weil ich damit viele Erinnerungen an meine Oma verbinde.

Die spätere Schwiegermama hatte eine ähnliche Geschichte wie meine Familie hinter sich. Sie konnte an der Nähmaschine zaubern. Das Tochterkind profitierte davon mit Kuscheltier, Waschlappen, Lätzchen und Kuscheldecke. Letztere übergab sie mir, als ihr Augenlicht immer mehr nachließ, zum Fertigstellen. Habe ich gemacht und auch diese Decke wird auf Wunsch aufgehoben.

Außerdem profitierte das Tochterkind von individuellen Karnevalskostümen, die ich nach ihrem Wunsch anfertigen konnte. Eines ihrer Lieblingskostüme war die “Waldfee”

Kritik an Handarbeit

Dadurch, dass meine Tante Handarbeitslehrerin war, bekamen wir immer zu Weihnachten irgendetwas Besticktes, Gehäkeltes, Geklöppeltes oder Gestricktes für uns geschenkt. Manches passte gut, aber einiges wirkte doch altbacken oder aber die Wolle war kratzig, sodass ich zwar die Arbeit, die dahinter steckte, sah, aber es nicht anziehen wollte. Schade darum. Ich finde, dass Häkelhandarbeiten häufig eben nicht modern aussehen. Oder aber wir ungefragt Sachen zum Anziehen geschenkt bekamen, die wir erwartungsgemäß tragen sollten, die aber nicht meinem Geschmack oder meinem damaligen Anspruch an die Qualität der Wolle u. dgl.. entsprachen.

Wie ist das heute mit Handarbeit?

Heute mache ich kaum noch etwas in diese Richtung. Meine Nähmaschine hat nicht die Qualität, die ich bräuchte, um auch dickere Stoffe zu nähen. Um mir eine andere anzuschaffen, habe ich aber zu wenig Zeit zum Nähen, dass es sich lohnen würde. Stricken und Häkeln ist derzeit gar nicht mehr meines, Sticken ja ohnehin nicht. Ich weiß, dass ich die jeweiligen Techniken beherrsche und anwenden kann. Derzeit steht mir der Sinn überhaupt nicht nach Handarbeit. Aber angeregt durch das Schreiben dieses Artikels überlege ich gerade, ob ich meine Klöppel erneut aktiviere. Wer weiß?

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