Ein Jahr Corona – ein fragwürdiger Geburtstag
Ich gebe zu, das ist ein Blogartikel, den ich nicht schreiben wollte, denn denke ich an Corona, dann legt sich eine Schwere über mich. Aber nun leben wir bereits seit einem Jahr mit der Pandemie und das ist es wert, diese Rückschau zu halten.
Noch im Karnevalszug von 2020 in Köln gab es einen Wagen, auf dem das Karnevalsvirus dem Coronavirus die Zunge herausstreckte. Keiner hat damals geahnt, was auf uns zukommen würde.
Ebenfalls vor genau fast einem Jahr hatte ich meine letzte von sechs OP´s wegen meines Lipödems. Diese letzte OP fiel zeitgleich auf den Beginn von Corona in Deutschland und den darauf folgenden Restriktionen zusammen. Ich musste ohnehin zu Hause bleiben, also bekam ich den eigentlichen Anfang gar nicht so richtig mit.
Zwei Tage vor meiner OP waren wir mit einer befreundetet Familie noch gemeinsam im Varieté, hatten einen schönen Abend mit einem leckerem 5-Gänge-Menü. Da wussten wir alle noch nicht, dass es das so schnell nicht mehr geben würde.
Trotzdem machten mir zu Hause allmählich die Nachrichten Sorgen: der Göttergatte in Reha, das Tochterkind Physiotherapeutin. Um nicht verrückt zu werden beschloss ich, nur noch einmal am Tag Nachrichten zum Thema Corona anzuschauen. Das handhabe ich bis heute so und mir tut das gut.
Aber was gab es denn alles in “meinem” Jahr mit Corona?
Acht Dinge, die ich wegen Corona im letzten Jahr nicht erlebt hätte
Auf manches hätte ich verzichten können, anderes wiederum war sehr schön.:
Weltmeister im Hamstern
Wem ist das nicht in Erinnerung: Die Klopapierhamsterer! Klopapier in Unmengen einzukaufen, als ob es morgen kein Fitzelchen mehr geben würde. Hä? Haben wir sonst keine Sorgen? Umso eigenartiger und komischer das Gefühl, als wir irgendwann doch Nachschub brauchten. Als ob alle einen auf einmal anstarren würden, weil wir anderen das Klopapier wegkaufen…
Und die leeren Regale bei Tomatensoße und Nudeln! Wenn schon, dann würde ich nährstoffreichere Lebensmittel horten, die mich gesund durch eine Krise bringen können. Und was war mit den fehlenden Desinfektionsmitteln, Handschuhen und medizinische Masken? Das Tochterkind hatte irgendwann in der Arbeit nur noch stark begrenzte Mengen davon und sollte trotzdem immer noch in die Altenheime gehen. Sie hatte panische Angst davor, das Virus einzuschleppen. Nichts war mehr aufzutreiben und ich machte mir echt Sorgen um ihre Gesundheit. Eine Kollegin gab mir schließlich eine angefangene Flasche aus ihrem Vorrat, weil sonst nichts mehr aufzutreiben war. Tranken die Menschen Desinfektionsmittel, wie es der damalige amerikanische Präsident Trump empfahl? Diese Rücksichtslosigkeit machte mich zum Teil echt sprach- und fassungslos.
Hilfe, Denunzianten unter uns…
Und noch etwas stimmte mich nachdenklich: als die Kontaktbeschränkungen veröffentlicht wurden, befürchtete ich schon, dass Denunziantentum gewecket werden könnte. Und so erlebten wir es auch bei uns im unmittelbaren Wohnbereich, und zwar nicht nur einmal: Eine Familie bzw. deren Kinder im Grundschulalter trafen sich immer wieder bei uns im Innenhof. Die Folge war, dass ein Nachbar das Ordnungsamt einschaltete. Gottseidank Kopfschütteln bei allen.
Juchuh! Hilfsbereitschaft und Zusammengehörigkeit
Aber ich habe auch die umgekehrte Variante erlebt: junge Menschen, die sich im Stadtteil ehrenamtlich engagierten und die Einkäufe für ältere Personen übernahmen, vor die Haustür stellten und auch mal mit dem notwendigen Abstand ein paar Worte wechselten. Eine gelungene und beeindruckende Aktion gegen Vereinsamung. Überhaupt: ich hatte den Eindruck, dass Corona in vielen Familien das Zusammengehörigkeitsgefühl förderte und stärkte, um damit diesen andauernden Ausnahmezustand besser und gemeinsam bewältigen zu können. Wir hatten zum Beispiel hier das friedvollste, entspannteste, aber doch abwechslungsreiche Weihnachtsfest seit Jahren, auch wenn wir unseren anderen Teil der Familie in Bayern nur per Videocall sehen konnten.
Frühling in der Pandemie
Im letzten Jahr habe ich soviel vom Frühling mitbekommen, wie schon seit Jahren nicht mehr. Kein: “Ach echt? Die Krokusse haben schon geblüht?”. Vielmehr war ich viel im Freien, habe die Buschwindröschenblüte im Wald mitbekommen, habe die vielen unterschiedlichen Vögel in unserem Garten registriert und auch, dass mehr als nur ein Igel abends durch die Gärten “schlurfte”. Und auch das: Spazierengehen und Fahrradfahren vielerorts als das neue Hobby schlechthin. E-Bikes, die plötzlich nur mit langer Wartezeit lieferbar waren. Ob es das auch ohne Corona geworden wäre?
Betroffenheit verbreitet sich
Etwas, was ich ohne Corona in dem Maße nicht erlebt hätte, war die Betroffenheit und die Ängste mancher Schulkinder in meiner Arbeit. Bei einigen war die Angst sehr groß, dass sie ihre Familien anstecken könnten, dass überhaupt unheimlich viel passieren kann, dass sie ihre Eltern zum Teil hilfos erlebt haben. Das bereitete ihnen schlaflose Nächte. Gut, dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Sprechstunden in den Schulen wieder stattfinden konnten. Teilweise haben wir gemeinsam mit den Eltern dafür Sorge getragen, dass die Kinder wieder unbeschwerter ihren Alltag meisterten. Ich mag nicht daran denken, wieviele Kinder nicht erreicht werden konnten. Das Thema häusliche Gewalt ist dabei wieder ein ganz anderer Punkt.
Erkrankungen in der eigenen Familie
Ebenso hat mich die Tatsache, dass urplötzlich ein Teil meiner Familie an Corona erkrankte und wir uns mit dem Gedanken vertraut machen mussten, dass mein Vater möglicherweise nicht überlebt, sehr beschäftigt. Wie gemein und heimtückisch das Virus zuschlagen kann, wie einschränkend die Folgen sind, wie wenig wir Abschied hätten nehmen können. Gottseidank ist es gut ausgegangen.
Und noch etwas Ärgerliches…
Was mich wirklich sehr geärgert und zum Teil so richtig vor den Kopf gestossen hat, sind die aufkeimenden Verschwörungstheoretiker gewesen. Ein Schlag ins Gesicht für jeden, der einen nahestenden Menschen an Corona verloren hat. Ganz besonders erschrocken war ich über die Ansichten von Attila Hildmann, den ich vor ca. 8 Jahren, als ich vegan wurde, total gut fand. Ich frage mich, was einen Menschen dazu bewegt, so eine komplette Kehrtwendung zu machen. Oder hatte er schon immer diese Ansichten und die wurden nur nie öffentlich?
Die Umwelt
Ich habe in dem einen Jahr auch erlebt wie es sein kann, wenn der Himmel frei von Flugzeugen bleibt, wie blau er auf einmal sein kann. Und überhaupt: insgesamt konnte unsere Umwelt mal durchschnaufen und sich erholen. Ein echter Gewinn, wenn es sonst schon nichts zu feiern gibt. Die Meldungen von positiven Veränderungen gab es weltweit. Die Umwelt konnte endlich mal eine Erholungspause einlegen!
10 Dinge, die ich wegen Corona im vergangenen Jahr gelernt habe
Das für mich Wichtigste vorne weg: ich habe gelernt zu bloggen. Sonst könntest Du das hier nicht lesen. Ein fettes Danke an Judith Peters. Durch meine lange Krankschreibung hatte ich Zeit und eigentlich wollte ich nur mal endlich meine Homepage bearbeiten und online stellen. Judith bot einen workshop zu WordPress in ihrer sympatexter academy als einen Baustein an. Und da das große Paket bei ihr mich sehr reizte, nahm ich alles. Und startete damit – zunächst sehr zaghaft und perfektionistisch – Blogartikel zu schreiben, Zoom zu benutzen, mit Begriffen um mich zu schmeißen, die meine Familie nicht mehr verstand, mich davon zu lösen, alles nur im perfekten Zustand zu veröffentlichen (wer definiert denn schon, was perfekt ist?), und bin immer noch dabei, so viel mehr dadurch zu lernen und umzusetzen. Für mich war das der Startschuss in mein online Business.
Was habe ich noch gelernt?
- wie funktioniert eine WhatsApp Party bzw.eine online Homeparty (für mein Geschäft im networkmarketing wichtig)
- wie funktioniert eine digitale Sprechstunde
- wie organisiere ich mich im Homeoffice
- weviel Zeit muss ich für den Einkauf unter Coronabedingungen einplanen
- und überhaupt: wie oft gehe ich einkaufen (da ist sie wieder, die Vorratshaltung)
- wie beständig, aber auch fragil ist unsere Gesellschaft in einer Pandemie (ich glaube, das wäre einen zusätzlichen Blogartikel wert)
- wie funktioniert eine digitale Geburtstagsfeier und kann man überhaupt so feiern?
- lernen mit Hilfe von online-Kursen – noch nie gab es ein solches breit gefächertes Angebot. Und ja, auch mein erster online-Kurs “Stress lass nach – Stressmanagement für Lehrer:innen” hat stattgefunden. Mehr dazu kannst Du hier nachlesen
- wie wichtig ist Berührung? Ich bin ja eher die Fraktion “lieber einmal zu viel umarmen, als zu wenig”. Mir fehlt das schon sehr. Jetzt niemanden mehr zu umarmen, nur noch die allerengsten Familienmitglieder? Ich habe mir wieder in mein Gedächtnis zurückgerufen, dass Berührung auch anders statt finden kann. Durch eine Geste, ein Wort, ein Anlächeln trotz Maske, ein Umsorgen. Das geht auch mit Abstand.
10 typische Wörter / Ausdrücke, die es seit Corona in meinen Wortschatz gibt
- “Dein Mikro ist noch aus” oder umgedreht “Du musst dich stummschalten” bei den zunehmenden online-Meetings
- Ebenso: “Du musst oben / unten rechts / auf die Kamera klicken”
- “Ich geh dann mal online”
- Systemrelevant
- Inzidenzwert
- Alltagsmaske, MNS
- Lockdown
- im Schulbereich: “Alle die Jacken an, wir lüften”
- oder auch: Homeschooling; Hybridunterricht
- mRNA-Impfung und Risikogruppe
Wie war Dein Jahr mit Corona? Hinterlasse mir gerne einen Kommentar.