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Rechtschreibung – ist sie überhaupt noch wichtig?

Im Rahmen der vielen Blogparaden sprang mich eine an, die eigentlich völlig untypisch für mein Hauptthema “Stressmanagement”, aber doch irgendwie zu mir passt. Kerstin Salvador ruft in ihrer Blogparade “Rechtschreibung und ich -(k)eine Liebesgeschichte” dazu auf, mal darüber nachzudenken, wie das mit mir und Rechtschreibung ist. Sie regt dazu an, meinen Gefühlen zum Thema Rechtschreibung freien Lauf zu lassen und sie mir vom Herzen zu schreiben. Na denn: Danke für diese Aufforderung! Hier ist mein persönlicher Artikel:

Es war einmal eine Leseratte…

Als Kind konnte ich bereits mit 5 lesen. Ich liebte es, wie sich mir auf einmal ganz andere Welten eröffneten und ich in sie eintauchen konnte. Jeden Sonntag nach der Kirche hatte die kleine Gemeindebibliothek auf. Gemeinsam mit meinem Bruder stand ich vor den hohen Regalen und suchte Bücher aus. Also nicht eines, sondern mehrere. Ich lernte dadurch immer neue Wörter kennen, sodass sich mein Wortschatz schnell erweiterte. Das war mein großer Vorteil in der Schule. Durch das “Inhalieren” der Wörter hatte ich kaum Rechtschreibfehler. Diktate waren überhaupt kein Problem für mich und später liebte ich es, Aufsätze zu schreiben. Allerdings sah ich auch, wie sich meine Mitschüler:innen manchmal abmühten. Rechtschreibung war so wichtig, dass sie immer wieder Strafarbeiten bei falsch geschriebenen Wörtern machen mussten. Die Vorstellung, so könnten die richtig geschriebenen Wörter ins Gehirn gemeißelt werden, gruselt mich heute immer noch. Okay, bei manchen Mitschüler:innen war das so. Sie vergaßen die Wörter, die sich durch Angst und Druck einprägten, nicht mehr. Diese doch fragwürdigen pädagogischen Methoden meiner Schulzeit wünscht sich heute keine:r mehr zurück. Der Spruch “Wer nämlich mit h schreibt ist dämlich” ist mir heute noch im Ohr. Meiner Meinung ist er als Eselsbrücke gut zu verstehen, den Anderen aber aufgrund eines Rechtschreibfehlers als dämlich zu bezeichnen, unwürdig.

Von der Leselust zur Schreiblust

Irgendwann, so mit ca. 12 Jahren, reichte mir das Lesen alleine nicht mehr aus. Die Welt war doch so groß und ich wohnte in einem kleinen Kaff in Mittelfranken. Also begann ich, mir Brieffreunde zu suchen. Ich schrieb bereits meiner Freundin aus Grundschulzeiten, die in einem Internat lebte, immer wieder mal kleine und kurze Briefe. Das erweiterte ich mit Brieffreundinnen aus dem mir damals noch riesig erscheinenden Deutschland. Über jede Antwort, die zurückkam, über jede Postkarte freute ich mich wie eine Schneekönigin.

Ich kann mich erinnern, dass es sogar eine Art Agentur gab, die Adressen vermittelte. Hier fand ich Adressen aus dem Ausland. So kam es, dass ich mit meinem damaligen Weltbild und Verständnis von anderen Kulturen schließlich Brieffreunde zum Beispiel in Finnland, in Südkorea, in Südafrika, in Indien und in Österreich hatte. Wir schrieben auf Englisch und auf Deutsch. Ich war begierig darauf zu lesen, wie es anderen Menschen in meinem Alter ging, was sie erlebten und wie sie dachten. Wenn ich so zurückdenke, gab es kaum Briefe, in denen Rechtschreibfehler waren, egal ob auf Deutsch oder Englisch. Wobei: Letzteres konnte ich ja nicht so genau beurteilen.

Wo begegnete mir Rechtschreibung noch?

Bild: ha11ka auf Pixabay
  • 1984 habe ich meine Facharbeit verfasst. Da es damals ja noch nicht den Segen von PC´s gab, erbarmte sich meine Mutter für das Tippen. Sie musste beruflich ohnehin viel mit der Schreibmaschine arbeiten und war absolut rechtschreibsicher. Trotzdem vertippte sie sich immer mal wieder, weil uns die Zeit im Nacken saß. Jedes Mal, wenn das passierte, zog sie das Blatt heraus und fing von vorne an, denn TippEx oder dergleichen akzeptierte sie nicht. Mein Learning: Es muss nicht nur richtig geschrieben sein, sondern auch so aussehen, als hätte man nichts verbessert.
  • Als ich schließlich meine ersten Stellen antrat und Jugendliche betreute, war es unter anderem auch unsere Aufgabe, sie bei den Hausaufgaben zu unterstützen. Deren Texte hatten immer wieder Rechtschreibfehler. So waren sie nur schwer lesbar. Mein Learning aus diesen Situationen: Nicht jede:r hatte es so gut wie ich, dass es ein Elternhaus gibt, die die Fähigkeiten ihrer Kinder unterstützen und fördern. Geschweige denn auf die Rechtschreibung achten. Die war in vielen Elternhäusern mit den unterschiedlichen Problematiken ohnehin nicht einmal zweitrangig. Oder aber so manch eine:r hatte mit LRS zu kämpfen. Eine Diagnose, die es zu meiner Schulzeit noch nicht gab, die aber mehr als überfällig war. Oder aber kam aus einem anderen Land. Das ließ mich toleranter und auch ein wenig gelassener gegenüber Rechtschreibung werden.
  • Schließlich trat ich meine Stelle als Schulsozialarbeiterin an und war zwangsläufig mit Rechtschreibung und den diversen Methoden der Lehrer:innen konfrontiert. Ich merkte, wie schwer sich manche Schüler:innen grundsätzlich mit Sprache taten, von Rechtschreibung ganz zu schweigen. Und wie viel es half, wenn sich jemand Zeit nahm, um mit ihnen zu üben. Egal ob es Lehrer:innen, Nachhilfe, Eltern oder andere Hilfen in Gruppenangeboten waren. Mein Learning: Rechtschreibung braucht Verständnis für die Sprache und Zeit, es zu erwerben. Gerade spielerisches Herangehen half ihnen sehr.
  • Später übernahm ich den Bereich der Berufsorientierung und damit auch Bewerbungen von Jugendlichen. Ich war teilweise entsetzt, was und wie formuliert wurde und vor allem: über die Rechtschreibfehler. Eine Bewerbung mit Fehlern – egal ob in der Rechtschreibung oder inhaltlich – wird sofort aussortiert. Keine Chance auf einen Ausbildungsplatz. Daher war wiederum Üben mit den Jugendlichen angesagt. Du kannst dir sicher vorstellen, wie groß deren Lust war. Mein Learning: Rechtschreibung braucht Unterstützung, denn gerade deswegen suchten sie ja auch Hilfe bei uns.
  • Als das Tochterkind in der Grundschule lesen und schreiben lernte, sollte sie so schreiben, wie sie es hörte. Ich musste mich sehr zusammen nehmen, um nicht zu korrigieren. Oft musste ich mir die Wörter laut vorlesen, um beim Hören herauszufinden, was damit gemeint war. “Aisbea” statt “Eisbär” zum Beispiel. Es war ein Graus für mich, diese Texte zu lesen und ich hinterfragte die Methode mehr als einmal. Und ließ mich eines Besseren belehren. Heute ist ihre Rechtschreibung top. Allerdings wurde die Art Schreiben zu lernen in vielen Bundesländern wieder abgeschafft. Mein Learning: Wie jemand Rechtschreibung lernt, ist absolut unterschiedlich.

Das Grauen kommt – die Rechtschreibreform

Als 1996 die Rechtschreibreform (und die späteren Nachbesserungen) kam, tat ich mich total schwer. Manche Veränderung konnte ich nachvollziehen, bei manchem überfiel mich das Grauen. Kein Portemonnaie, sondern Portmonee zum Beispiel. Oder die Majonäse statt Mayonnaise. Ich wurde unsicher: War das noch richtig, wie ich etwas schrieb oder doch nicht? Und ich sträubte mich dagegen, obwohl ich doch nichts machen konnte. Irgendwann lernte ich aber, dass auch Sprache einem Wandel unterworfen ist. War ja schließlich nicht die erste Reform in der deutschen Sprache. Allerdings konnte ich meine alten Kinderbücher nicht mehr gemeinsam mit dem Tochterkind lesen, denn ich wollte, dass sie die richtige Schreibweise lernte. Also lernte ich mit dem Tochterkind die neue Rechtschreibung.

Was stört mich eigentlich?

  • Wenn ich einen Brief bekomme voller Rechtschreibfehler, dann finde ich, bringt mir das wenig Wertschätzung entgegen. Denn es erweckt in mir den Eindruck, jemand hat schnell etwas hingeschrieben, ohne sich die Zeit zu nehmen und nochmals darüber zu lesen.
  • Genauso ist das, wenn ich von den unterschiedlichen Kolleg:innen in deren Texten, Präsentationen oder Arbeitsblättern Fehler sehe, die eindeutig keine Flüchtigkeitsfehler sind. Das ist zum Beispiel “dass” und”das”, oder – ganz schlimm für mich – “seid” oder “seit”. Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich solche Texte nicht gerne lese oder aber schon relativ früh aufhöre, weiterzulesen. Für mich hat das den Touch von Unprofessionalität.
  • Um das klarzustellen: ich spreche nicht von Flüchtigkeitsfehlern, die jedem mal passieren können. Das kommt bei mir auch vor. Oder von den Fehlern, die man beim 5. Mal lesen auch noch übersieht, weil man schon “blind” für den eigenen Text geworden ist. Ich spreche von solchen Fehlern, die offensichtlich immer wieder passieren (wie das seid und seit) und es keinen Lernzuwachs gibt.
  • Mittlerweile gibt es so viele Rechtschreibprogramme, die mich unterstützen können. Okay, die erkennen auch nicht immer, ob ich “morgen” oder “Morgen” meine. Aber wenn ich weiß, dass ich etwas abliefern muss und dass dort keine Fehler drin sein sollten, dann hole ich mir Hilfe und lasse jemanden Korrektur lesen. So wie die Schüler:innen mit ihren Bewerbungen.

Und sonst noch?

Sprache ist nun mal lebendig und einem Wandel unterworfen. So hat in der heutigen Zeit die moderne Kommunikation an Geschwindigkeit zugenommen. Wir schreiben eben mal schnell eine Kurznachricht. Dass dabei die Rechtschreibung, Groß- und Kleinschreibung oder Kommasetzung (was ist das?) hinten runterfällt, ist fast schon logisch. Oder ganze Wörter werden durch Emojis ersetzt. Mir passiert das sicherlich auch immer wieder mal, gerade wenn es schnell gehen muss. Trotzdem kann ich einen Text besser lesen, wenn er korrekt geschrieben ist. Dafür gibt es ja die Rechtschreibregeln.

Das ist mir wichtig

  • Ich liebe es nach wie vor, handgeschriebene Briefe zu bekommen. Das ist jedes Mal wie ein kleiner Schatz, wie ein Geschenk, weil ich weiß, dass sich jemand Zeit dafür genommen hat, um mir eine Freude zu machen. Der Genuss, diesen Brief zu lesen ist deutlich größer, wenn keine Rechtschreibfehler enthalten sind.
  • Der Perfektionismus, alles möglichst fehlerfrei zu schreiben, darf nicht so weit gehen, dass man lieber gar nichts mehr schreibt, als einen Fehler zu machen. Ich gestehe, mich hat das auch immer wieder blockiert. Manchmal saß ich ewig an ein paar Arbeitsblättern, nur um sie fehlerfrei und optisch wie inhaltlich gut gestaltet weiter zugeben. Seit ich in der “The Content Society” bin, habe ich meinen eigenen Perfektionismus abgelegt. Ich schreibe wieder gerne. Und drücke auch auf den Veröffentlichen-Button. Klar nutze ich ein Rechtschreibprogramm, das mir schon einiges an Arbeit abnimmt. Wenn nun mal ein kleiner Flüchtigkeitsfehler dabei ist, dann ist das halt so. Davon geht die Welt auch nicht unter. Neulich habe ich sogar ein Arbeitsblatt herausgegeben, auf dem ich im Nachhinein einen Fehler entdeckt habe. Das wäre mir vor einigen Jahren nicht passiert. Aber ich lebe gut damit.
  • Rechtschreibprogramme nutze ich selbstverständlich. Durch das schnelle Tippen am PC kommt es schon mal vor, dass sich meine Fingerchen überschlagen und die Buchstaben durcheinander purzeln. Das filtert mir das Programm heraus und es geht schnell.

Fazit

Ich liebe Sprache und Kommunikation – sie ist schließlich auch mein Medium in der Coachingarbeit. Dabei kommt es für mich auf einen Fehler mehr oder weniger nicht an, sofern es Flüchtigkeitsfehler oder Tippfehler sind. Ich liebe Rechtschreibung. Meiner Meinung nach ist sie immer noch wichtig. Mir auch, aber ich muss mittlerweile nicht mehr alles verbessern, was ich sehe. Daraus ergibt sich für mich mehr Gelassenheit und Toleranz. Frei nach dem Motto einer Schülerin:

Ich mache keine Rechtschreibfehler – ich schreibe Freestyle!

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