
Warum mehr Disziplin dich nicht aus der Stressfalle holt
Gehörst du auch zu den Menschen, die fest daran glauben, dass mehr Disziplin und besseres Zeitmanagement dir hilft, dich aus deinem Stress zu holen? Ertappst du dich dabei, dass dir immer wieder folgende Gedanken in den Sinn kommen?
- „Ich muss mich einfach besser organisieren!“
- „Wenn ich meinen Tag perfekter strukturiere, wird alles leichter!“
- „Ich darf mich nicht so anstellen, andere schaffen das doch auch!“
Keine Sorge, du bist damit nicht alleine. Solche Gedanken sind weit verbreitet – und genau hier liegt der Mindfuck. Denn Disziplin und Zeitmanagement helfen nur bedingt bzw. vorübergehend. In vielen Fällen verschärfen sie das Problem sogar. Warum? Weil sie das Grundproblem nicht lösen.
Ein tief verwurzeltes Leistungsdenken
Das „Grundübel“ unseres Stresses liegt in einem tief verwurzelten Leistungsdenken. Wer sind wir ohne unsere von klein auf vermittelten „Werte“, dass Fleiß, Durchhaltevermögen und Selbstkontrolle die entscheidenden Erfolgsfaktoren sind? Was wäre, wenn wir sagen würden, wir hätten keinen Stress? Wie würden unsere Mitmenschen darauf reagieren? Es ist doch z.B. unmöglich, keinen Stress zu haben. Da muss man doch faul sein oder irgendetwas verkehrt machen. Stimmts? Besonders Menschen in sozialen und pädagogischen Berufen tragen dieses Denken tief in sich. Sie fühlen sich verantwortlich, möchten helfen, die Welt ein Stück besser machen – und vergessen dabei oft, auf sich selbst zu achten.
Aber statt zu entlasten, führt dieses Denken nur zu noch mehr Erschöpfung. Ist dein Tag schon so voll, dass du meinst, ein besseres Zeitmanagement könnte dir helfen? Was bedeutet das für dich? Mehr Zeit zur Verfügung zu haben, wofür? Um noch mehr Aufgaben zu übernehmen und zu erledigen? Wozu solltest du diese Zeit denn sonst nutzen? Etwa für Pausen?
Kurz gesagt: Die Lösung für zu viel Druck kann nicht sein, noch mehr Druck aufzubauen.
Kann Disziplin dich wirklich aus der Stressfalle befreien?
Natürlich kann eine gewisse Struktur hilfreich sein. Doch viele Menschen setzen Zeitmanagement und Disziplin auf eine Weise ein, die sie immer weiter in die Überlastung zieht. Das sieht dann so aus:
- Perfektionismus wird mit Effizienz verwechselt. Eher das Gegenteil ist der Fall: Um möglichst perfekt zu arbeiten, benötigst du mehr Zeit, denn die erste Variante deiner Arbeit ist noch nicht komplett perfekt und muss noch einmal überarbeitet werden (in deinen Augen). Du meinst, nichts delegieren zu können, weil es eh niemand so erledigt, wie du es haben möchtest und du schlimmstenfalls noch nacharbeiten müsstest. Also benötigst du eigentlich mehr Zeit. Mit Effizienz hat das nichts zu tun. Über den Perfektionismus als Energieräuber habe ich bereits einen Artikel geschrieben, den du hier findest.
- Gute Organisation sorgt für reibungslose Abläufe. Das mag zunächst stimmen. Doch das Leben ist nicht reibungslos. Es gibt Unvorhergesehenes, emotionale Schwankungen, Energieeinbrüche – und das ist völlig normal. Menschen, die sich auf ihre (perfekte) Organisation verlassen, kommen dann ins Trudeln. Warum nicht flexibel bleiben und auf die Umstände angemessen reagieren können?
- Erholung wird als Schwäche gesehen. Pausen fühlen sich wie verlorene Zeit an, statt als notwendige Regeneration. Dabei wird ignoriert, dass gerade diese bewussten Pausen die Produktivität langfristig steigern. Pausen sind kein Luxus, sondern notwendig. Dabei spreche ich nicht von langen Pausen. Die sind zwischendurch auch wichtig. Vielmehr meine ich die kleinen Pausen, die du in den Alltag integrieren solltest, um deine Energie und Leistung konstant halten zu können.
Das sind nur ein paar Argumente. Doch du kannst jetzt schon erkennen: „Besseres Zeitmanagement“ bedeutet oft nur „noch mehr in weniger Zeit“ – und das führt in die Erschöpfung. Statt echte Entlastung zu schaffen, versuchst du, immer noch eine Aufgabe mehr unterzubringen.
Was du stattdessen tun kannst: Wege aus dem Hamsterrad
Jetzt, wo du weißt, warum die übliche Herangehensweise nicht funktioniert, stellt sich die Frage: Was hilft wirklich? Ich beschreibe dir 5 konkrete und effektive Schritte, um aus diesem Denkfehler auszusteigen:
Hinterfrage dein Mindset!
Wer hat dir beigebracht, dass „bessere“ bzw. mehr Disziplin die Lösung ist? Viele Überzeugungen übernehmen wir unbewusst aus unserer Kindheit, dem Bildungssystem oder unserer Arbeitswelt. Frage dich:
- Woher kommt mein Glaube, dass ich „nur härter arbeiten“ muss, um mein Stressproblem zu lösen?
- Wer hat mir beigebracht, dass Pausen Faulheit sind?
- Ist das wirklich wahr – oder könnte es auch anders sein?
Reflektiere diese Fragen für dich. Vielleicht ist das die Überzeugung in deiner Familie? Vielleicht gibt es dort ein Vorbild, von dem du das übernommen hast? Vor allem aber die letzte Frage hilft dir, einen Perspektivwechsel vorzunehmen und eine andere Position einzunehmen (siehe nächster Tipp)
Wechsle die Perspektive
Dein Wert als Mensch hängt nicht davon ab, wie viel du schaffst. Auch dein beruflicher Erfolg tut das nicht. Wie wäre es mit neuen Prioritäten? Frage dich:
- Was ist wirklich wichtig?
- Welche Aufgaben bringen dich wirklich weiter – und welche sind eigentlich nur Zeitfresser?
- Welche Erwartungen kannst du loslassen?
Stelle dir vor, eine enge Freundin oder ein Freund wäre in deiner Situation. Was würdest du ihr oder ihm raten? Und warum erlaubst du dir das nicht selbst?
Setze klare Grenzen
Nein zu sagen, ist eine der mächtigsten Strategien im Stressmanagement. Es ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Selbstachtung. Jedes Nein zu anderen ist ein klares Ja zu dir selbst.
Lerne, Grenzen zu setzen:
- Gegenüber dir selbst: Höre auf, dich ständig zu überfordern. Setze dir realistische Ziele. Niemand kann das besser als du selbst.
- Im Job: Sprich offen über Arbeitsbelastung und lehne Zusatzaufgaben ab, wenn dein Pensum bereits voll ist. Egal, was die anderen denken. Wenn du wüsstest, wie wenig die anderen über dich tatsächlich nachdenken….
- Im Privatleben: Du bist nicht für alles und jeden verantwortlich. Setze auch hier klare Prioritäten. Du musst nicht Mutter Teresa für alle und jeden spielen. Wer übernimmt das bei dir?
Falls dir das schwerfällt, starte klein: Statt direkt mit „Nein!“ zu antworten, kannst du erst einmal sagen: „Ich muss darüber nachdenken.“ Das gibt dir Zeit, eine bewusste Entscheidung zu treffen, statt aus Pflichtgefühl sofort „Ja“ zu sagen.
Plane bewusste Erholung ein
Pausen sind keine Zeitverschwendung, sondern ein strategisches Element für langfristige Leistungsfähigkeit. Doch viele Menschen gönnen sich erst dann eine Pause, wenn sie völlig erschöpft sind. Das ist, als würdest du erst dann Wasser trinken, wenn du schon ziemlich dehydriert bist.
Besser: Plane deine Erholung ein, bevor du sie brauchst.
- Nutze Techniken wie z.B. die Pomodoro-Methode (25 Minuten konzentriertes Arbeiten, 5 Minuten Pause).
- Bewege dich zwischendurch: Ein kurzer Spaziergang kann Wunder wirken. Oder nimm statt des Aufzuges die Treppe.
- Praktiziere echte Entspannung – nicht Social Media oder den Fernseher, sondern z. B. Atemübungen, Meditation oder einfach mal Musik hören und nichts tun.
Überlege, was dir guttut und plane die Pausen bewusst ein. So können sie dir helfen, deine Akkus nicht komplett zu entleeren, sondern deine Energie zu bewahren.
Hole dir Unterstützung
Viele Menschen denken, sie müssten alleine zurechtkommen – ein weiterer Mindfuck. Du denkst das auch? Erwischt! Niemand kann auf Dauer alleine alles stemmen. Erlaube dir, Hilfe zu holen. Das bedeutet nicht, dass du schwach bist. Es bedeutet, dass du klug bist. Klug genug, um zu erkennen, dass ein starkes Netzwerk dich weiterbringt als blinder Durchhaltewillen. Wie könnte die Hilfe aussehen?
- Hol dir Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen, tausche dich aus. Wenn du kannst, delegiere Aufgaben.
- Bitte im privaten Umfeld um Entlastung – sei es im Haushalt, in der Kinderbetreuung oder einfach durch emotionale Unterstützung. Auch hier sagt niemand, dass du alles alleine machen musst. Binde deine Familie mit ein, hol dir abends einen Babysitter, um einen freien Abend genießen zu können, … Du weißt am besten, was du tun kannst. Überlege dir eine, zwei Strategien und setze sie um.
- Suche dir eine Mentorin oder einen Coach, um neue Perspektiven zu gewinnen. Ich stehe dir hier gerne mit Rat und Tat zur Verfügung.
Manchmal ist das stärkste Zeichen von Stärke die Fähigkeit, um Hilfe zu bitten.
Fazit: Weniger Disziplin, mehr Selbstfürsorge
Der Gedanke, dass mehr Disziplin dein Stresslevel senkt, ist ein Trugschluss. Die wirkliche Lösung liegt nicht in noch mehr Perfektionismus oder noch besseren Zeitplänen. Sie liegt in einem neuen Mindset:
Weg vom „Ich muss noch effizienter sein!“ und hin zu „Wie kann ich mich besser um mich selbst kümmern?“
Genau dabei begleite ich dich – raus aus der Stressfalle, rein in ein nachhaltiges, gesundes Stressmanagement. Bereit für einen neuen Blickwinkel? Dann lass uns starten. Kontaktiere mich und wir können gemeinsam überlegen, welches meiner Angebote zu dir passt. Oder aber abonniere meinen Newsletter für mehr Tipps und Informationen rund um ein gesundes Stressmanagement.
3 Kommentare
Pia Hübinger
Liebe Annette,
was für ein kraftvoller und zugleich zutiefst menschlicher Artikel. Du sprichst ein Thema an, das so viele Menschen betrifft – und das oft im Verborgenen bleibt, hinter durchgeplanten Kalendern und scheinbarer „Funktionalität“.
Was mich besonders berührt hat: Du zeigst, dass es nicht um noch mehr „Optimierung“ geht, sondern um ein radikales Umdenken – hin zu Selbstfürsorge, innerer Klarheit und Mut zur Grenze. Dein Artikel ist nicht nur eine Einladung zum Nachdenken, sondern auch eine Erlaubnis, weniger zu leisten, um mehr bei sich selbst anzukommen.
Möge er viele Menschen erreichen!
Von Herzen
Pia
Esther
Liebe Anette
Was für eine spannende Aussage: Warum mehr Disziplin dich nicht aus der Stressfalle holt.
Dann gibst du eine wunderbare Erklärung zu dem tief verwurzelten Leistungsdenken. Das gefällt mir sehr und trifft einen wunden Punkt in unserer Gesellschaft.
Toll, dass du nicht nur bei Argumenten stehen bleibst, sondern ganz konkrete, praktische Schritte aufzeigst, um aus dem Hamsterrad zu kommen.
Dabei finde den ersten Punkt besonders hilfreich: Hinterfrage dein Mindset!
Wenn wir darauf eine Antwort finden, kann schon Vieles in Bewegung kommen, davon bin ich überzeugt.
Ich freue mich auf weitere Artikel von dir.
Liebe Grüsse
Esther
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