
Interview mit mir selbst – 7 Fragen, die ich mir schon lange stellen wollte
Manche Fragen bekommt man oft gestellt. Andere nie – obwohl man sie sich heimlich wünscht. Diese Blogparade von Claudia / Klarplatz ist eine Einladung, sich selbst so zu begegnen, wie ich es sonst nur meinen Klient:innen im Coaching ermögliche. Für mich bedeutet das: persönlich sein, empathisch, neugierig, transparent – und manchmal auch unbequem.
Ich habe mir sieben Fragen gestellt, die ich mir in einem Interview wünschen würde. Sie haben mein Leben und meine Arbeit als Coachin für Stressmanagement und Burnoutprävention tief geprägt. Zwei Bonusfragen gibt’s obendrauf – sie zeigen, was sich im Laufe der Jahre verändert hat und welche Themen mich besonders fordern oder berühren, bzw. was mir schwerfällt – und was leicht.
Welche Frage wurde dir noch nie gestellt, obwohl du sie dir wünschst?
Die Frage:
„Was hat dich weich bleiben lassen in einer harten Welt?“ oder „Was hat dich stark gemacht?“
Die Antwort:

Nicht der Erfolg hat mich stark gemacht – sondern der Schmerz. Es war die Erfahrung, dass ich auch dann noch wertvoll bin, wenn ich gerade keine Leistung bringe. Dazu kam die Erkenntnis, dass Verbindung heilsamer ist als Kontrolle und Verletzlichkeit keine Schwäche, sondern pure Stärke. Und vor allem, dass es Menschen braucht, die für mich da sind, die mich unterstützen und mich lieben.
In einer Welt, in der „Nichtfunktionieren“ schnell mit persönlichem Versagen gleichgesetzt wird, wollte ich lieber eines: echt bleiben. Mein Burnout war kein Betriebsunfall – er war die logische Konsequenz aus zu viel Belastung, innerem Druck, People Pleasing, einer Systemüberforderung im Schulalltag und privaten Herausforderungen wie dem Mobbing in der Schule des Tochterkindes oder der Firmenauflösung des Göttergatten. Dazu kamen noch jede Menge Glaubenssätze, die nicht meine waren – geradezu prädestiniert für Burnout und dem Gefühl zu versagen. Gut, dass mein Sozialpädagoginnenhirn funktionierte und ich mir schnell Unterstützung holen konnte. Therapie, Körperarbeit, Gesprächsrunden, Selbstreflexion: Ich lernte, wieder Mensch zu sein. Nicht hart, sondern ganz und authentisch.
Diese Frage wünsche ich mir sehr, weil sie zeigt, dass Stärke nicht immer laut ist. Manchmal ist sie einfach: dranbleiben. Immer wieder weitermachen. Bis du irgendwann aufblühst, obwohl du mal fast verdorrt warst.
Eine Frage zu meiner Zielgruppe
Die Frage:
„Warum liegt dir gerade das schulische Personal so am Herzen?“
Die Antwort:
Ich bin seit über 30 Jahren Schulsozialarbeiterin. Ich kenne nicht nur die Lehrer:innen, sondern auch Sekretär:innen, Hausmeister, Schulbegleiter:innen, Sozialpädagog:innen. Ich kenne ihre Realitäten, ihre Belastungen, ihre Strukturen, ihre Zerrissenheit, den Stress, der dahinter steckt – und ihre Überforderung. Viele gehen weit über ihre Grenzen. Nicht, weil sie müssen, sondern weil sie glauben, dass sie es müssen. Sie sind engagiert, klug, empathisch – und erschöpft. Und oft fehlt ihnen genau das: eine Lobby bzw. Unterstützung, die sie schützt. Oder der Mut, Hilfe anzunehmen. Deshalb arbeite ich für genau diese Menschen. Dass sie mehr Unterstützung erhalten und es Möglichkeiten der Reflexion gibt. Und nicht zuletzt, weil ich glaube, dass gesunde Pädagog:innen die Basis für gesunde Schulen sind. Punkt.
Eine persönliche Frage zu meinem Burnout
Die Frage:
„Was hat dir damals wirklich geholfen – und was nicht?“
Die Antwort:

Mir hat geholfen, still zu werden. Nicht im Sinne von „Ich sage gar nichts mehr, weil ich nichts mehr sagen kann“ sondern ruhig werden und mich auf meinen Körper besinnen. Eine Freundin hat mich in der Zeit zum ersten Mal mit in die Sauna genommen. Dort habe ich mich auf die Aufgüsse konzentriert und so den Kopf frei bekommen. Pause vom Gedankenkarussell quasi. Seitdem gehört das zu einer meiner möglichen Selbstfürsorgetechniken. Ich habe auch erkannt, dass ich um Hilfe bitten darf und habe sie ohne Scham angenommen. Das ist mir besonders schwergefallen, den einer meiner Glaubenssätze war, dass ich alles alleine schaffen muss. Bullshit. Und schließlich habe ich auch erkennen müssen, dass ich keine Maschine bin, die ständig nur funktioniert. Maschinen tun das im Übrigen auch nicht. Sie brauchen Energie, um richtig zu laufen. Ich durfte mich wieder als Mensch wahrnehmen, mit all seinen Stärken und Schwächen. Dabei geholfen hat mir die Therapie, die mich durch manche Extraschleifen begleitet und getragen hat. Letztendlich habe ich dadurch erkannt, dass ich mich nicht über Leistung definieren muss, um Anerkennung zu erhalten.
Was hat mir überhaupt nicht geholfen? Gutgemeinte Sätze wie „Das geht schon wieder vorbei“ „Du musst dich nur ein wenig zusammenreißen“, oder „Mach doch einfach Urlaub, danach geht es dir besser“, ohne zu sehen, dass ich gar nicht mehr in der Lage war, mich nur irgendwie zu erholen. Das hörte sich nach „Wir kleben ein Pflaster darüber und alles ist gut“.
Funfact: Die Frage, die mich damals am nervösesten gemacht hat, war: „Was brauchst du?“ Warum? Weil ich es schlicht nicht wusste bzw. in Worte fassen konnte.
Welche Frage sollte dir niemals gestellt werden, aber du beantwortest sie trotzdem?
Die Frage:
„Bist du wieder am Limit?“
Die Antwort:
Manchmal finde ich so eine Frage übergriffig, weil ich denke, das geht niemanden etwas an, manchmal ist es ganz okay, danach zu fragen. Denn Fakt ist: Nur weil ich meinen ersten Burnout bewältigt habe und anderen helfe, da gar nicht erst hineinzukommen, heißt das noch lange nicht, dass ich immun bin. Die korrekte Antwort auf die Frage lautet also: manchmal ja. Und das ist nicht schlimm. Entscheidend ist: Ich merke es früher. Ich reguliere mich. Ich nehme mich ernst und sorge für mich. Ich hole mir Unterstützung bzw. fordere sie ein. Auch Coaches brauchen Menschen, die sie erinnern, dass sie nicht immer stark sein müssen. Früher hätte ich es als Versagen gesehen. Heute sehe ich es als Wachstum.
Welche Interviewfrage geht dir tierisch auf die Nerven?
Die Frage:
„Wie schaffst du das alles?“
Die Antwort:
Was bezweckst du mit dieser Frage? Muss ich mich als Frau beweisen, dass ich alles schaffe? Warum fragst du mich nicht nach meinen Kompetenzen, was ich alles kann, was ich liebe, woran ich Spaß habe? Denn darauf bin ich stolz. Aber eigentlich ist das Leben kein Wettbewerb. Mein Ziel ist nicht, immer und ständig produktiv zu sein. Diese Frage finde ich nicht nur mit dem gesellschaftlichen Aspekt, was Frauen alles schaffen können, müssen, sollen, gefährlich. Denn sie reproduziert das Problem: dass wir nur zählen, wenn wir funktionieren. Ich will lieber gefragt werden: „Was lässt du inzwischen bleiben, um gesund zu bleiben?“
Welche Frage würdest du dir selbst stellen, wenn du dich wirklich sehen wolltest?
Die Frage:
„Was versteckst du noch – obwohl du längst bereit wärst, es zu zeigen?“
Die Antwort:

Ich habe gelernt, viel von mir zu zeigen und mache es auch gerne. Nur so kannst du meine Geschichte auch nachvollziehen und verstehen, warum ich das tue, was ich eben tue. Du kannst erkennen oder erahnen, welches Wissen in mir steckt, wie kreativ ich bin, wie ich ticke, wie ich meinen Alltag bewältige etc. Aber es gibt auch Seiten, die ich längst nicht so gerne zeige: zum Beispiel meine Wut – auf das Gesundheitssystem, auf das Schulsystem, auf die Politik, auf manche ignorante Eltern, und, und, und. Manchmal deute ich das in dem einen oder anderen Artikel an. Außerdem halte ich auch meine Enttäuschung häufig zurück. Sie geht oft einher mit der Wut und der Fassungslosigkeit manchem destruktiven Verhalten meiner Mitmenschen gegenüber. Meine verletzten Grenzen. Die zeige ich in meinen Kursen. Damit meine Klient:innen wissen, sie sind nicht alleine damit. Und dann ist da noch mein Anspruch an mich selbst, aber auch anderen gegenüber. Ich wirke gerne freundlich und höflich– so wurde ich erzogen. Aber ich kann auch unbequem sein. Genau das ist manchmal notwendig, um etwas zu verändern, und zwar in mir selbst, aber auch im System und in der Welt.
Welche Frage ist ein Türöffner in dein Innerstes und Warum?
Die Frage:
Ganz klar: „Was würdest du deinem früheren Ich sagen wollen?“
Die Antwort:
Ich würde ihm sagen: „Du darfst dich selbst lieben, auch wenn du nichts leistest.“ Ich würde Mitgefühl zeigen, wo früher nur Selbstkritik war. Ich würde anerkennen, wie viel ich getragen habe – oft still, oft alleine, ohne Verständnis für mich selbst.
Und ich würde sagen: „Du wirst nicht nur überleben, du wirst wachsen. Und stell dir vor, du wirst andere begleiten, damit sie es auch tun und den Weg, den du gegangen bist, vielleicht gar nicht erst gehen müssen.“
Bonusfrage 1
Die Frage:
„Welche deiner Antworten hat sich über die Jahre verändert?“
Die Antwort:
Früher hätte ich auf die Frage, was Selbstfürsorge für mich bedeutet, sicherlich eine andere Antwort gegeben: Neben Egoismus wären mir Dinge eingefallen wie spazieren, lesen, meditieren, in die Sauna gehen, …..
Heute sage ich: Selbstfürsorge bedeutet, mir selbst die Loyalität zu schenken, die ich so lange anderen gegeben habe.
Es geht nicht um To-dos, sondern um Haltung. Heute weiß ich: Sie ist die Voraussetzung, überhaupt für andere da sein zu können. Geht es mir nicht gut, dann kann ich andere auch nicht unterstützen. Selbstfürsorge ist also kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit.
Bonusfrage 2:
Die Frage:
„Worauf fällt dir die Antwort leicht und worauf schwer?“
Die Antwort:

Leicht: „Was liebst du an deiner Arbeit?“. Ich liebe an meiner Arbeit vor allem meine Klient:innen sowie meine Themen. Ich liebe die Tiefe, die dabeientsteht, sowie die Transformation, die ich begleiten darf.
Schwierig: “ Wo ziehst du Grenzen?“. Ich ziehe Grenzen – auch gegenüber Menschen, die ich liebe. Ich brauche dazu Mut, „Nein“ zu sagen, wo ich früher gefallen wollte. Zu Klient:innen, die so gar nicht mit meinen Werten konform gehen, bei denen ich mich so verbiegen müsste, dass es weh tut, die sich gar nicht verändern wollen, zu denen sage ich Nein. Damit erspare ich mir nervenaufreibende Diskussionen, die weder für die Klient:in noch für mich förderlich sind. Damit ist ein Nein letztendlich ein Akt der Selbstachtung und gesund für beide Parteien.
Fazit: Fragen, die verändern
Ich dachte, dieser Artikel sei schnell geschrieben. Ich wollte lediglich ein paar Fragen beantworten, die mir wichtig für und in meiner Arbeit erscheinen. Dem war jetzt aber doch nicht so. Vielmehr ist ein sehr persönlicher Artikel daraus geworden. Es sind Fragen entstanden, die etwas in Bewegung bringen. Manche Fragen sind wie Türen, die einen Lichtstrahl in Ecken fallen lassen, in die wir bzw. ich lange nicht geschaut haben. Sie fordern uns heraus – und führen uns gleichzeitig näher zu uns selbst.
Dieses Interview mit mir selbst war mehr als ein Gedankenspiel. Herausgekommen sind Fragen, die meiner Meinung nach nicht nur Bewegung, sondern einen Wandel bringen können. Sie können mit Glaubenssätzen aufräumen oder einfach neue Erkenntnisse liefern. Vielleicht magst du dir jetzt auch eine dieser Fragen stellen. Und wenn du spürst, dass du die Antworten nicht alleine findest: Ich bin da. Sehr gerne begleite ich dich gerne durch deinen Weg, den du nicht alleine gehen musst, und gebe dir Impulse. Ich bin meinen Weg schon für mich gegangen.

2 Kommentare
Claudia
Liebe Anette, hab vielen Dank für deinen Artikel zu meiner Blogparade, der so authentisch und ehrlich und nachdenklich ist. Es ist schön, dich über deine Fragen ein Stück weit kennenzulernen.
Liebe Grüße
Claudia
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