Jungs sind Jungs und Mädchen sind Mädchen – oder doch nicht?
Heute, am 31.03.2022, ist International Transgender Day of Visibility. Warum ich einen Beitrag dazu verfasse, hat einen Grund.
Dazu musst Du wissen: Ich bin ein absoluter Mausfan. Immer, wenn es möglich ist, schaue ich “Die Sendung mit der Maus” gemeinsam mit dem Göttergatten an, und das schon seit Jahrzehnten. Klappt das mal nicht, dann holen wir das irgendwann nach.
Was war passiert?
Am letzten Sonntag gab es, passend zum Transgender Day of Visibility einen Beitrag zu genau diesem Thema. “Wie aus Erik Katja wurde”. In der für die Maus übliche Art und Weise wurde die Geschichte von Erik, der sich in Katja verwandelte, erzählt. Katja berichtete, dass sie sich immer schon als Frau gefühlt hat. Im Clip wurde gezeigt, welches Leben Katja als Erik geführt hat und wie sie jetzt als Katja lebt. Das war´s auch schon. Ich fand den Beitrag sehr gut, gerade für Kinder.
Aber offensichtlich gefiel das einigen Erwachsenen nicht. Im Internet ging ein regelrechter Shitstorm los. Da war die Frage, ob das Thema denn nicht “too much” für Kinder sei, noch der harmloseste Kommentar. So schrieb zum Beispiel unter anderem der Ex-Chefredakteur der Bild-Zeitung Julian Reichelt auf Twitter dazu: “Die Zwangsmaus und die Öffentlich-Rechtlichen wollen, dass wir uns nicht mehr trauen, Dinge zu sagen, von denen wir wissen, dass sie wahr sind. Sie wollen uns einschüchtern und erziehen, bis wir aus Furcht Fakten verleugnen: Jungs sind Jungs, Mädchen sind Mädchen“.
Es war sogar von einem “Anschlag auf Kinderseelen” (Martin Reichardt, familienpolitischer Sprecher der AfD) die Rede.
Ist bei der “Sendung mit der Maus” kein Platz für Transgender?
Dabei sollte doch in einer Sendung, in der die Maus und der Elefant geschlechtsneutral abgebildet werden, Platz für ein solches Thema sein. In der Lebensrealität geht es halt nicht nur um Löcher im Käse oder Streifen in der Zahnpasta, sondern Kinder interessieren sich auch für solche Themen. Kinder sind unvoreingenommen und neugierig. Ein Problem machen die Erwachsenen daraus. Ich bin froh und dankbar, dass es die “Sendung mit der Maus” gibt und dass sie vermeintlich “schwierige” Themen sachlich darstellt.
Ich habe mich im Sommer letzten Jahres schon sehr aufgeregt, als in Ungarn ein Gesetz verabschiedet wurde, das verbietet, dass Minderjährige über Transgender aufgeklärt werden dürfen. Der Zugang zu Büchern, Broschüren oder Aufklärungskampagnen, die nicht der heterosexuellen Norm entspricht, ist seitdem dort verboten. Bereits im Jahr zuvor wurde ein weiteres Gesetz erlassen, das Transmenschen verbot, ihr Geschlecht legal anerkennen zu lassen. Queere und alleinstehende Personen dürfen keine Kinder mehr adoptieren, denn “Der Vater ist ein Mann und die Mutter eine Frau. “
Eigentlich dachte ich, dass ich in einem Europa lebe, das tolerant genug ist, damit Themen wie dieses offen diskutiert werden können. Nun, das scheint ja nicht der Fall zu sein, wie der jüngste Fall der “Sendung mit der Maus” zeigt.
Transgeschlechtlichkeit ist für manche Kinder ein Thema. Daher sollte es genauso Platz im Alltag haben wie Corona und eine eventuelle Impfpflicht, der Ukrainekrieg, psychische Erkrankungen, oder eben die Löcher im Käse. Und viele Kritiker:innen übersehen, dass im Clip Katjas Leben skizziert wurde, also wie sie noch als Erik gelebt hat, ihr Outing, ihre Namensänderung. Es wird nicht über Hormontherapie oder ähnliche mögliche Schritte gesprochen. Für mich ist das ein weiterer Beitrag für eine tolerante und respektvolle Kindererziehung. Hätte es diesen Beitrag schon vor 10 Jahren gegeben (oder noch besser: vor 20 Jahren), dann hätte er sicher zum Beispiel Katja, die damals noch Erik war, bzw. ihrer Umwelt helfen können.
Unser Leben ist bunt! Jawohl!
Gottseidank reagierte der WDR sachlich auf diesen blasphemischen Kommentar: „Auch als erwachsene Person kann man bei uns noch viel lernen zu relevanten Themen wie z. B. Toleranz. Die Maus ist dazu da, den Horizont von Groß und Klein zu erweitern“.
Das Leben ist viel zu bunt und vielfältig, um unseren Kindern nur einen eingeschränkten Blick darauf zu eröffnen. Machen wir ihren Blick weit!
Falls Du den Beitrag verpasst hast, dann kannst Du ihn hier anschauen:
Ein Kommentar
Kerstin
Liebe Anette, vielen Dank für deinen sehr wichtigen Artikel. Gut, dass du so darauf eingehst und ein Zeichen gegen Intoleranz setzt. In dem Mausbeitrag ist absolut nichts, was nicht kindgerecht oder verstörend wäre. Ich bin auch Mausfan, weil Fragen, die sich Kinder stellen einfach so genial erklärt werden. Und Transgender gehört heute einfach dazu.
Viele Grüße
Kerstin