
Als mein Körper lauter wurde als mein Kopf
Die Blogparade von Albrecht Reese steht unter dem Thema: „Wie ich gelernt habe, meinem Körper zuzuhören“. Zunächst musste ich schmunzeln, denn das Lernen hört eigentlich nie auf. Mein eigener Prozess war ein langer und schmerzhafter Weg: vom eigenen Burnout vor fast 15 Jahren zur Coachin für Stressmanagement und Burnoutprävention. Vieles durfte und konnte ich in der Zeit lernen und habe mittlerweile einigen Menschen, die ebenso im schulischen Kontext arbeiten, wie ich helfen können, einige Wege anders zu gehen, um sich nicht erst den langwierigen Weg aus einem Burnout heraus erkämpfen zu müssen. Dafür musste ich einige meiner Überzeugungen und Glaubenssätze über Bord schmeißen, um dahin zu kommen, um auf meinen Körper, mittlerweile meinem wichtigsten Kompass, zu hören.
Meine eigene Geschichte
Ich erinnere mich noch genau an den Moment, an dem mein Körper zum ersten Mal lauter wurde als mein Kopf. Es war kein lauter Knall. Ich saß im Zimmer einer der beiden Schulleitung meiner Schule. Gerade eben hatte ich eine Antwort auf eine Frage bzw. ein Anliegen erhalten, mit der meine Vorstellung von Unterstützung, von Gerechtigkeit, Rücksichtnahme und Fürsorge für die Schülerschaft (und für die Menschen, die dort arbeiteten), in sich zusammenbrach. Wie ein Dolch im Rücken empfand ich diese Äußerung und deren Konsequenzen daraus. Ich fühlte mich alleine gelassen, als ob mich jemand fallen ließ. Als ob ich mich im freien Sturz befände, mit dem Wissen, da unten ist nichts und niemand, der mich auffängt. Schlagartig war es leise in mir. Eine hartnäckige Stille, die sich ausbreitete. Eine bleierne Müdigkeit, die nicht wegging. Ein dumpfer Druck auf der Brust. Und auf einmal Tränen, die sich in ihren Weg bahnten, verbunden mit dem Gedanken, der immer wieder Karussell fuhr in meinem Kopf: „Ich kann nicht mehr.“
Und auch ein zweiter Gedanke war da: „Du musst da jetzt durch. Andere schaffen das auch. Reiß dich zusammen.“ Ich war Schulsozialarbeiterin, Mutter, Partnerin. Ich wusste viel über Psychohygiene. Ich kannte Methoden, Modelle, Erklärungen. Doch was ich damals nicht konnte: meinem Körper wirklich zuhören.
Der Körper flüsterte zuerst, dann schrie er

Der Burnout kam schleichend – und doch plötzlich. Der oben beschriebene Heulanfall war nicht der Anfang. Das glaubte ich zwar ganz lange. Aber ich erkannte, dass schon ganz vieles im Vorfeld abgelaufen war, das ich so nicht einordnete: eine lange Zeit voller belastender Arbeit, Mobbingvorfälle in der Schule des Tochterkindes, die Abwicklung der Firma des Göttergattens. Mein gefühl: Gib mir noch was drauf, auch das schaffe ich noch. Wie eine kleine Größenwahnsinnige. Und dann: der Zusammenbruch in der Schule, von einem Moment auf den anderen nur noch Leere. Das Gefühl, nie mehr glücklich sein zu können. Nie mehr lachen zu können. Wertlos zu sein. Eine Belastung für andere. Mein Körper hatte längst geschrien – ich hatte nur nicht hingehört.
Dem folgte eine sofortige Krankschreibung, Phasen, in denen ich nicht aufstehen wollte, aber doch musste, weil es da noch das Tochterkind gab, die ebenfalls Unterstützung brauchte. Ich sah für mich zunächst keine Lösung, wollte nur weiter funktionieren. Wie konnte ich je wieder zur Schule gehen? Wie konnte ich je wieder in der Lage sein, anderen zu helfen, wenn ich selber so hilfsbedürftig war? Ich fühlte mich wie ein angeschossenes Reh: Verwundet, nicht in der Lage, richtig aufzustehen und weiterzulaufen oder meine Wunden zu heilen. Es entwickelte sich eine Art Zynismus allem und jeden gegenüber, die ich nicht steuern konnte. Und immer wieder Tränen. Plötzlich, ohne Vorwarnung und ohne Anlass.
Mein Gehirn funktioniert zum Glück so, dass es schnell versuchte, Lösungen zu finden. Ich suchte Unterstützung: Therapie, Gespräche, wertschätzende Begegnungen mit Freund:innen und Kolleg:innen – zum Beispiel mit einem Besuch in der Sauna. Im Übrigen meine erste Erfahrung mit Sauna damals. Ich konzentrierte mich so auf die Aufgüsse und die Wärme, die mich wie eine dicke Decke einhüllte, dass ich für einen Moment meinen Kopf frei hatte. Allmählich lichtete sich das Dickicht und der Nebel. Erste Lichtblicke. Später mehr. Es hat ein halbes Jahr gedauert. Dann erste Arbeitsversuche. Ich habe mich langsam zurückgekämpft ins Leben. Einen Arbeitsplatzwechsel habe ich abgelehnt – trotz Anratens. Denn meine Schüler:innen wollte ich mir nicht nehmen lassen.
Warum ich so schlecht zuhören konnte

Rückblickend war mein Körper nie mein Feind. Er war mein Verbündeter. Ein aufmerksamer Beobachter, der mir zu verstehen geben wollte: So wie du gerade lebst, arbeitest und dich selbst behandelst, geht es nicht weiter. Erst waren es kleine Signale. Spannungskopfschmerzen und teilweise zusätzliche Migräneattacken. Schlafprobleme. Gereiztheit. Verspannungen. Dann wurde es deutlicher: Kreislaufprobleme, ich wurde dünnhäutiger. Man musste mich nur schief ansehen und ich kämpfte mit den Tränen. Teilweise konnte ich mir Dinge nicht mehr merken, hatte Wortfindungsstörungen, konnte nicht mehr richtig schlafen. Erholung im Urlaub fiel mir schon länger schwer. Dazu noch die ständige Müdigkeit am Morgen, die ich auf mangelnde Nährstoffe zurückführte. Weitere gesundheitliche Probleme, die ich nicht ernst nahm. Ausruhen konnte ich mich ja in meiner freien Zeit. In unserer Leistungsgesellschaft lernen wir, den Körper zu überhören. Er soll funktionieren. So wie wir. Ich habe nach dem Burnout lange gebraucht, um das nicht als Schwäche, sondern als wichtige Botschaft zu begreifen.
Besonders in sozialen und pädagogischen Berufen wie meinem ist das „Funktionieren“ eine Art Berufsethos. Wir stellen andere vor uns selbst. Und wenn der Körper irgendwann nicht mehr mitspielt, interpretieren wir das nicht als Warnung, sondern als Störung. Warten auf die Tapferkeitsmedaille für das, was wir tagtäglich leisteten. Und doch keine:r sah. Auch ich habe lange geglaubt, ich müsse einfach nur mehr Disziplin aufbringen, mich besser organisieren, noch effizienter werden. Aber all das hat mich noch weiter von mir selbst entfernt.
Die Wende: Vom Wissen zum Spüren
Der Wendepunkt kam nach dem Burnout nicht über Nacht. Aber er kam. In Form meiner Therapie, in der ich zum ersten Mal nicht nur reden, sondern fühlen sollte. Ich sollte meinen Atem spüren. Fragen, woher meine Glaubenssätze kamen und warum ich an ihnen festhalte. Meinen Körper fragen, was er gerade braucht. Dann kam da etwas – keine große Erkenntnis, eher ein zögerndes Flüstern: „Ruhe.“ Und das gab ich ihm. Allmählich fand ich wieder den Weg zurück. Meine Gefühle brauchten jedoch sehr lange, bis ich wieder Zugang hatte. Das erste Mal wieder befreiend lachen zu können, aufstehen, ohne bleierne Müdigkeit, Gedanken aus dem Karussell schmeißen bzw. das Karussell einreißen, meine Schatzkiste öffnen und noch mehr dazu packen! All das ebnete mir den Weg zurück. Ich begann, mich mit den Ursachen zu beschäftigen – und machte neue Ausbildungen: zur Gesundheitspädagogin, zum Coach für Stressmanagement. Ich sammelte eine große Schatzkiste an Erfahrungen und verborgenen Ressourcen, die mir damals gefehlt oder zu denen ich keinen Zugang hatte. Heute gebe ich genau dieses Wissen weiter. Ich begann zu atmen. Mich zu bewegen, ohne Ziel. Meinen Alltag zu strukturieren, aber auch immer wieder loszulassen. Gleichzeitig begannen sich auch die familiären Herausforderungen allmählich zu sortieren und aufzulösen.
Aber das alles war mir nicht mehr genug. Einige Jahre später begann ich zu schreiben. Ich machte weitere Ausbildungen im Human Design, arbeitete mit Frequenzanalysen. Nicht, weil ich in esoterische Sphären abheben wollte, sondern weil ich einen Zugang suchte. Einen Weg zu mir. Heute kombiniere ich dieses Wissen mit meiner Erfahrung als Gesundheits- und Stresscoachin. Und ich erlebe täglich, wie befreiend es sein kann, wenn Klientinnen sich zum ersten Mal wieder trauen, auf ihren Körper zu hören.
Heute: Mein Körper ist mein Frühwarnsystem

Zugegebenermaßen: Nur weil ich einmal durch dieses tiefe Tal gegangen bin, bin ich nicht immun dagegen. Es gibt Phasen, in denen ich auch wieder über Grenzen meines Körpers gehe. Aber: Ich merke es viel früher und warte nicht mehr, bis mein Körper schreit. Ich höre mittlerweile, wenn er flüstert. Ich erkenne die feinen Hinweise: ein verspannter Kiefer, verstärkt Kopfschmerzen, ein flacher Atem, ein inneres Ziehen, ein flaues Gefühl im Magen, vor allem am Morgen, wenn ich etwas tue, das mir nicht guttut.
Und ich reagiere. Nicht immer perfekt, aber liebevoll. Ich mache Pausen. Ich gehe spazieren. Ich schalte das Handy aus. Ich sage Nein. Ich vertraue meinem Innersten, meinem Spürsinn, meinem Körper. Und auch in meiner Arbeit als Schulsozialpädagogin trenne ich klar, wenn ich merke, ich steuere direkt auf den nächsten Burnout zu, wenn ich so weitermache. Das Gefühl, die Kolleg:innen und meine Klientel im Stich zu lassen, muss ich dann aushalten. Oder realistisch sehen. Ich weiß, ich tue das für mich, denn nur wenn ich gut zu mir und fit bin, kann ich anderen auch helfen. Das ist der Unterschied zu meiner Denke damals vor fast 15 Jahren.
Drei Fragen für deinen eigenen Körperdialog

Wenn du merkst, irgendetwas stimmt gerade nicht in deiner Arbeit, mit deinem Gefühl oder du den Eindruck hast, du kannst bald nicht mehr, dann habe ich drei Fragen für dich:
- Welche Signale sendet dir dein Körper in stressigen Zeiten?
- Wann hast du das letzte Mal bewusst in dich hineingespürt?
- Was wäre ein kleiner erster Schritt, um deinem Körper heute zuzuhören?
Sei ehrlich in der Antwort. Es nützt niemanden und vor allem dir nicht, wenn du denkst: „Ach, das wird schon wieder. War nur ein schlechter Tag heute“. Wenn du deine Antworten hast, dann sei so konsequent und mache etwas dagegen. Etwas, was dir hilft: Gespräche, Ruhephasen, ein Buch lesen, ein längerer Spaziergang oder vielleicht auch ein Saunabesuch. Dein Körper zeigt dir genau auf, wann er Unterstützung von dir benötigt. Das ist eigentlich das Fantastische, wenn wir nur zuhören würden.
Fazit
Der Körper ist nicht unser Gegner. Er ist nicht schwach oder gar unzuverlässig. Er ist klug und weise. Und er ist immer da. Wenn wir lernen, ihm zuzuhören, bevor er schreien muss, können wir eine ganz neue Qualität von Gesundheit, Selbstfürsorge und eigener Präsenz entdecken.
Ich bin meinen Weg aus dem Burnout gegangen – nicht trotz, sondern wegen meines Körpers. Und vielleicht beginnt dein Weg genau jetzt – mit einem tiefen Atemzug und einem ehrlichen Hinhören.
Wenn du denkst, du brauchst genau jetzt Unterstützung, dann nimm Kontakt zu mir auf. Ich bin da. Wir können in einem Erstgespräch klären, ob wir zueinander passen. Sehr gerne begleite ich dich gerne durch deinen Weg, den du nicht alleine gehen musst, und gebe dir Impulse. Ich bin meinen Weg schon für mich gegangen.

Oder aber du meldest dich für meinen Newsletter an. Hier findest du alle zwei Wochen unter anderem Tipps aus meinem Coaching Bereich sowie Informationen zu geplanten und bevorstehenden Aktionen. Also nix wie ran an den Newsletter. Er kostet dich keinen Cent und du kannst ihn jederzeit wieder abbestellen.