Auto und Wohnwagen beim Sonnenuntergang
Persönliches

Wie sich mein Reisen verändert hat – von Zeltabenteuern bis Wohnwagenkomfort

Julia Pracht hat eine Blogparade ins Leben gerufen, um die ich die ganze Zeit herumgetänzelt bin. Ihr Thema: „Wie hat sich (dein) Reisen verändert?“

Anlass genug, mir genau diese Frage zu stellen: Wie hat sich mein Reisen über die Jahre verändert? Von der Zeltreise nach Griechenland über Hotelurlaub, Roadtrips, organisierte Rundreise bis zur Wohnwagentour durch Skandinavien. Früher reiste ich mit Landkarte, Moskitonetz und Reiseschecks – heute mit Google Maps, Powerbank und Kreditkarte. Die Abenteuer sind geblieben – nur das Drumherum hat WLAN bekommen.

Reisen früher: Tagesausflüge, Zelt und das große Abenteuer

Meine ersten Reisen mit meinen Eltern und meinem Bruder waren überschaubar. Sie führten mich zweimal nach Österreich und einmal ins Allgäu. Ansonsten besuchten wir meine Tante in deren jeweiligem Klosterorten (sie war Nonne). Alles waren ohne Frage schöne Urlaube. Ich habe auf dem Friedhof Verstecken gespielt, klopfte nach Versteinerungen im Altmühltal, sah in den Pfingstferien zum ersten Mal Schnee (in Österreich) und wanderte viel. Auch die Tagesausflüge, die unsere Eltern mit uns machten, waren für mich immer spannend. Dennoch las ich voller Sehnsucht die Postkarten, die ich von meinen Freundinnen von deren Urlauben am Meer bekam, ich dagegen mit dem Fahrrad ins Freibad oder an einen nahegelegenen See fuhr. Als Jugendliche verbrachte ich viel Zeit mit meiner Clique in einer Mühle, die zu einem Jugendtreff umgebaut wurde. Unter der Fittiche von Benediktinermönchen klopften wir Mörtel, verschlemmten alte Mauern, saßen am Lagerfeuer. Heute würde man das „Urlaub gegen Hand“ nennen. Mit 19 dann: das erste Mal Meer. Nach dem Abi mit Auto und Zelt nach Griechenland über den Autoput durch Jugoslawien. Unterkünfte bei befreundeten Familien, Pfirsichernte in Griechenland. Viele erste Male, die meine Sehnsucht nach mehr weckten.

Studium: Fernweh auf Rucksackniveau

Anette mit Rucksack wartet auf die Bahn

In München zu studieren hieß: Italien war nah. Zelt eingepackt, Skoda gestartet, Toskana ruft. . Es war wunderschön. Wir lernten nicht nur das italienische Essen sehr zu schätzen, sondern auch, wie wir mit einer kaputten Wasserpumpe und einer schwachen Batterie im Auto von A nach B kamen. Doch das Fernweh wuchs. Eigentlich sollte es nach Indien gehen, doch eine kluge Reisebüroangestellte empfahl fürs erste Mal Asien lieber Indonesien. Also: 1 Woche Singapur, dann 8 Wochen Indonesien. Rucksackreise pur. Das erste Mal Krokodil gegessen und Unmengen Orchideen im Orchid Garden in Singapur bestaunt. 8 Wochen Indonesien quer durch Java vorbei an heutigen Touristenmagneten nach Bali. Damals (1989) war vieles nur schwer zugänglich, aber wir hatten unser Abenteuer: alles mit den öffentlichen Bussen, einem Rucksack, der beim ersten Mal noch 20kg wog, teilweise Improvision pur. Wir wurden angegafft, angefasst, wegen unserer weißen Haut. In Jakarta fanden wir unsere erste Anlaufstelle über eine Odyssee mit dem Taxi. Unglaublich, dass wir es überhaupt gefunden hatten. Mit der Fähre ging es nach Bali. Damals war Ubud ein verschlafenes Dorf, Gili Trawangan hatte ganze drei Unterkünfte, und an Instagram dachte noch niemand. Wir reisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, schliefen günstig, lebten einfach – und intensiv.

Zelt, Freundschaften und echtes Unterwegssein

Nach dieser Reise zog es uns immer wieder fort. Neben der Toskana wurde die Türkei zu einem Lieblingsziel. Anfang der 90er mehrere Male mit dem Bus, Auto oder Flugzeug von München nach Antalya und von dort aus bis an den Van-See. Auch nur Rucksack (schon einige Kilos leichter) und etliche Freundschaften, die bis heute halten, reicher. Mich beschämte die unglaubliche Gastfreundschaft, die Natur, das Essen. Seitdem gehören Gurken, Oliven und Schafskäse immer wieder zu unserem Frühstück.

Auch Venezuela bereisten wir mit dem Rucksack – alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln, möglichst authentisch. Wir standen staunend vor den Naturschönheiten, den unglaublichen Landschaften, hörten viele Geschichten der Einheimischen, genossen Karibik. Heute ist eine Reise dort hin aufgrund der politischen Situation leider nicht mehr möglich. Und dann wieder Indonesien – diesmal bis Lombok. Rückflug mit Dengue-Fieber. Auch das gehört zum Abenteuer dazu.

Mit Kind unterwegs: Zwischen Mutprobe und Meilenstein

Eine erste Veränderung im Reisen merkten wir, als das Tochterkind da war. Vieles musste anders durchdacht werden (glaubte ich damals zumindest). Neben den Besuchen bei der Familie in Bayern und zwei Hotelurlauben mit dem kleinen Kind auf Teneriffa und Rhodos verbrachten wir viele Urlaube auf Römö / Dänemark. Diesmal schon mit Familienzelt und auf einem Campingplatz, der direkt an den Dünen lag. Für uns war das Freiheit pur. Jedes Mal blieben wir so lange, wie es das Wetter zuließ. Unsere Devise: Sobald die Klamotten klamm und nicht mehr trocken werden, dann geht es ab nach Hause.

Irgendwann dann wagten wir uns an die erste Rucksackreise mit dem Tochterkind. Sie war damals 8 Jahre. Unser Ziel? Natürlich Indonesien, insbesondere Bali. Es war herausfordernd: kaum andere deutschsprachige Kinder, ein im Urlaub erkrankter Partner – und doch: unser Kind lernte in diesem Urlaub schwimmen und wir eine deutsch-balinesische Familie kennen, deren Freundschaft uns bis heute erhalten geblieben ist. Und ein Tochterkind mit blonden Haaren und blauen Augen, die die Indonesier immer wieder verzauberte, vor allem, weil sie ein paar Wörter Indonesisch lernte und auch sprach.

Auch das war unser Reisen mit Kind: Sie machte irgendwo in Südtirol oder Irland Ferien- bzw. Pfadfinderlager, wir holten sie in der Regel mit dem Auto dort ab und reisten weiter. Entweder wieder mit Zelt oder aber – wie in Irland – einfach drauflos ohne fest gebuchte Unterkunft. Wir fanden immer etwas.

Heute: Wohnwagenliebe, Roadtrips & neue Komfortzonen

2018 haben wir uns einen Wohnwagen zugelegt. Nicht mein Wunsch. „Wohnwagen fahren doch alte Leute und stehen nur auf dem Campingplatz“, dachte ich. Aber: wir können autark stehen und sind somit unabhängig. Ab und zu müssen wir unser Brauchwasser entsorgen und neues, frisches Wasser auffüllen, das war es aber auch. Unsere Solarpanels geben uns diese Freiheit auf Rädern. Das erste Mal so richtig mit dem Wohnwagen waren wir in Schweden – und dann entstand große Skandinavienliebe.

2020 startete mein Sabbatjahr – und die Pandemie. Was vorher als Weltreise mit dem Rucksack geplant war, war auf einmal nicht mehr möglich. Aber: immer wenn sich ein Land wieder öffnete, packten wir unseren Rucksack und flogen dorthin. So haben wir zum Teil menschenleere Orte gesehen, die normalerweise voll mit Touristen sind: Mallorca, Kroatien / Plitvicer Seen, Italien, Ungarn. Aber auch Rhodos, Malediven, Sri Lanka, Ägypten inklusive Petra in Jordanien. Das war überhaupt das erhabenste Erlebnis: Den Blick auf die bekannte Schatzkammer (Indiana Jones lässt grüßen) hatte ich komplett für mich alleine! Außerdem reisten wir im Sabbatjahr drei Monate lang mit dem Wohnwagen durch Schweden, Estland, Lettland, Litauen und Polen.

Mittlerweile reisen wir immer noch gerne mit dem Wohnwagen, vor allem in Skandinavien. Allerdings machen wir aufgrund der begrenzten Zeit (ich bin ja an Schulferien gebunden) häufiger Kurztrips z.B. nach Madeira, Portugal, Kapverden, Kanaren mit dem Flugzeug und einem Hotel. Allerdings haben wir meist vor Ort einen Mietwagen, der uns Freiheit gibt. Roadtrip bleibt halt Roadtrip. Und ja – sogar eine organisierte Rundreise in Marokko und Nordzypern war schon dabei. Wobei wir da erheblich den Altersdurchschnitt gesenkt haben….

Was sich verändert hat – und was geblieben ist

Reisen hat sich für mich auf vielen Ebenen verändert:

  • Heute nehme ich nicht mehr einen riesigen Medikamentenbeutel bis hin zu Spritzen und Nadeln mit, den ich als Tochter einer Arzthelferin für absolut notwendig erachtete. Ein Rollerunfall bei unserer ersten Reise auf Bali hatte uns gezeigt, dass die kleinen Krankenhäuser nicht einmal Pflaster hatten. Heute weiß ich, dass ich meist wirksameres Antibiotikum in den Ländern bekomme, die ich bereise, als in Deutschland.
  • Meine Packliste hat sich enorm verändert und bei Rucksackreisen hat sich das Gewicht der Rucksäcke halbiert (maximal 10 kg).
  • Früher Stefan Loose Reiseführer und Landkarte, heute Google Maps und Informationen aus dem Internet / Reiseblogs.
  • Früher Reiseschecks und Bargeld, heute Kreditkarten und ein wenig Bargeld.
  • Kontakte zur Familie zu halten, war vor über dreißig Jahren schwierig, weil es oft nicht einmal Telefonzellen oder eine funktionierende Verbindung bis Deutschland gab. Zudem war es eine äußerst teure Angelegenheit. Also schrieben wir Postkarten und sogar einmal ein Telegramm. Heute kann mir meine Familie per WhatsApp oder Polarsteps folgen und sehen, wo ich bin. Telefonieren funktioniert in der Regel auch immer gut.
  • Früher habe ich die jeweilige Landessprache mit Hilfe der kleinen Reihe „Kauderwelsch“ gelernt (wer kennt sie noch?), heute nehme ich den Google Translator.
  • Früher Zelt, heute Komfort im Wohnwagen oder Hotel mit Bett, aber mit Roadtrip
  • Früher Abenteuer durch Improvisation, heute Abenteuer trotz Organisation.
  • Früher Malariaprophylaxe, heute allenfalls Notfallmedikament und eine gute Reiseversicherung
  • Früher ein Drittel eines Rucksackes (oder mehr) voll mit Ausrüstung für die analoge Kamera (inklusive Filme), heut GoPro und Smartphone.

Die Liste ließe sich noch weiter fortführen, aber es zeigt schon, wie sehr sich mein Reisen verändert hat. Die Welt ist kleiner geworden. Alles scheint erreichbarer. Aber politische Gegebenheiten verändern sich plötzlich und machen manche Länder für mich unbereisbar, wie z.B. Venezuela. Was aber immer gleich geblieben ist: Meine Neugier. Meine Reiselust. Mein Herz für unterwegs.

Fazit: Ich reise anders – aber ich reise immer noch mit Herz

Reisen ist heute anders – nicht besser, nicht schlechter.
Es ist organisierter, bequemer, manchmal weniger aufregend – aber immer noch voller kleiner Wunder. Das Kribbeln beim ersten Blick aufs Meer, der Duft von Gewürzen in einer Garküche in Indonesien, Einkaufen auf dem Nachtmarkt, der erste Schnee in den Bergen – das ist geblieben.

Und das ist das Schöne am Reisen: Es wächst mit uns. Und wir wachsen mit ihm.

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