Stressmanagement

Energieräuber Teil 2: Anstrengende Menschen

Im Teil 1 habe ich dir vorgestellt, was Energieräuber grundsätzlich sind und über Stress und Zeitdruck als einen der großen Energieräuber geschrieben.

Heute geht es um sogenannte Energievampire – die anstrengenden Menschen: Die kennst du bestimmt. Ob das jemand ist, der dich anruft, um sich bei dir auszukotzen, über Gott und die Welt schimpft und in einer Tour jammert, aber nicht bereit ist, dir zuzuhören oder selber etwas zu unternehmen, um die eigene Situation zu verbessern. Oder ob das die Kollegin / der Kollege ist, der über den anderen Kollegen / Kollegin schimpft und lästert. Oder die Freundin, die sich, obwohl sie mit ihrem Freund schon mehrmals Schluss gemacht hat, doch wieder auf ihn einlässt. Oder dein eigenes (pubertierendes) Kind, das deinen Geduldsfaden schon mehr als angespannt zurücklässt. Oder, oder, oder. Diese Menschen sind allesamt anstrengend, kompliziert, schwierig im Umgang, ermüdend und saugen deine Energie und Kraft regelrecht auf bzw. aus, meist ohne jemals etwas zurückzugeben.

Aber warum sind die so und was kannst du dagegen unternehmen?

Unterscheidung Energieräuber – Energiespender

Die schwedische Psychotherapeutin Ingalill Ross, die ich im 1. Teil schon genannt habe, unterscheidet in ihrem Buch “Energieräuber in Familie, Beziehung und Job erkennen und abwehren” von 2014 zwei Typen: den Energieräuber (oder Nehmertyp) und den Energiespender (oder Gebertyp). Wenn du die Thematik vertiefen willst, dann ist das oben genannte Buch sicher das richtige.

Der Nehmertyp

Ingalill Ross beschreibt die Energieräuber als Menschen, die eher unbewusst handeln. Ihrer Auffassung nach sind sie als Kind zu kurz gekommen und gieren regelrecht nach Liebe und Zuwendung. Manchmal auch nach materiellen Dingen. Sie können sich nur schwer in andere Menschen einfühlen und empathisch reagieren, geschweige denn die Dinge von der anderen Perspektive betrachten. Sie reflektieren in der Regel ihr Verhalten nicht, da es für sie ja auch funktioniert.

Der Gebertyp

Ein Energiespender tickt genau entgegengesetzt. Er ist empathisch, spürt, wenn es anderen nicht gut geht, ist harmoniebedürftig und freundlich, gibt gerne (auch materiell) und nimmt selber einiges auf sich, nur damit es dem Gegenüber gut geht. Nein sagen ist ganz schwierig, vielmehr passt er sich eher den Gegebenheiten und den Vorstellungen seines Gegenübers an und wird damit leicht manipulierbar. Seine Grenzen werden ständig überschritten. Dabei erwartet er häufig, dass die Menschen in seiner Umgebung, denen er Gutes zukommen lässt, dasselbe für ihn machen.

Und nun?

Ist jetzt der Nehmertyp per se schlecht und der Gebertyp gut? Beide haben ihre Schwächen. Der Nehmertyp ist eher egozentrisch, auf sich bezogen und eigentlich noch gar nicht fähig, eine echte Partnerschaft einzugehen. Der Gebertyp hingegen nimmt seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse nicht richtig war, weil er sie denen des Gegenübers unterordnet und sich fast schon selbst aufgibt.

Energieräuber im privaten Umfeld

Der Klassiker: Menschen wie Tante Erna, die einem ins Wort fallen, die in Gesprächen nur von sich reden und niemanden zu Wort kommen lassen, die selbst bei einem Telefonat mit sich selber sprechen und du nur nickend am Telefon sitzt. Oder die ständig schlechte Stimmung verbreiten, jammern, was das Zeug hält, sich über alles und jeden beschweren: Übers Wetter, den Partner, den Arzt, die Politik, die Gesundheit, nein, halt, über ihre Krankheiten, ….

Kennst du bestimmt. Und leider Gottes nützt es auch nicht, etwas dagegen zu sagen oder eine mögliche Lösung zu äußern, denn das geht ja nicht, weil…

Und wie ist das mit dem Partner? Stellt der hohe Erwartungen an dich? Geht er über Grenzen und du merkst es nicht immer sofort? Liegt vielleicht sogar eine toxische Beziehung vor?

Bild: Javaistan auf Pixabay

Manchmal ist es extrem schwer, aus solchen Familien- oder Freundesgefügen auszubrechen. Irgendwie liegt dir doch etwas an den Menschen, obwohl du merkst, dass sie dir nicht guttun.

Energieräuber im Arbeitskontext

Die Situation im Arbeitsleben ist meist noch etwas heikler als im privaten Umfeld.

Energieräuber können der Chef sein, der Überstunden für völlig normal hält und sie von seinen Mitarbeitenden erwartet. Oder die Kollegin mit hohem Gesprächsbedarf über ihre schlimme Situation. Oder die Kollegin, die den ganzen Tag mit übelgelauntem Gesicht herumläuft und negative Stimmung verbreitet. Versteh mich bitte nicht falsch: Klar kann es sein, dass einem Mal eine Laus über die Leber läuft oder das Leben gerade anders verläuft, als man es sich vorgestellt hat. Aber wenn das zum Dauerzustand wird, dann ist die Stimmung vergiftet und du willst nur noch schnell raus. Häufig trägt man das mit nach Hause und versucht dort, den Frust loszuwerden, mit mal mehr, mal weniger großen Erfolg. Keine:r will mit so einem Kolleg:in ein Gespräch führen, aber genau das kann helfen, die Situation zu entkrampfen. Ein klärendes Gespräch unter vier Augen, in dem man deutlich äußern kann, was geht, und was nicht, wie der Umgangston sein sollte, was man sich wünscht.

Bild: Pexels auf Pixabay

Dabei ist es wichtig – wie auch bei den Energieräubern im privaten Umfeld -, dass du deine Energie an anderer Stelle immer wieder auftankst. Zum Beispiel durch ausreichenden Schlaf und Bewegung, gesunde Ernährung, Entspannungstechniken in der Freizeit wie Meditation.

Du kannst natürlich auch versuchen, deine eigene Einstellung zu verändern: Nimm eine andere Perspektive ein, die dir den Umgang mit dem kollegialen Energieräuber leichter macht. Sieh ihn z.B. als Sparringpartner, der dir in deiner eigenen Abgrenzung ihm gegenüber und beim Nein sagen hilft.

Wenn das alles nichts nützt, dann solltest du, wenn du den Kontakt nicht auf das Allernotwendigste beschränken kannst, dringend über einen Arbeitsplatzwechsel nachdenken!

Tipps im Umgang mit menschlichen Energieräubern

Wie bereits in Teil 1 beschrieben ist das A und O das Erkennen der Energieräuber. Werde dir bewusst, wer dir deine Energie raubt, dich auslaugt, dich ermüdet und deine Grenzen missachtet. Frage dich dann, was dir die Beziehung gibt, ob sie aus gegenseitigem Geben und Nehmen besteht oder eben nicht.  Aus welchem Grund verbringst du soviel Zeit mit deinem Energieräuber? Warum kann er dir soviel Energie abzapfen? Hast du deine menschlichen Energieräuber enttarnt, sei es im Job oder im privaten Umfeld, dann kannst du daran gehen, etwas dagegen zu unternehmen.

Abgrenzung

  • Das Allerwichtigste ist die Abgrenzung. Leicht gesagt, schwierig umzusetzen. Denn nicht immer wirst du Zeit haben, um ein klärendes Gespräch zu führen. Oder du hast keinen Nerv, keine Energie dafür, weil dein Gegenüber ja eh schon so anstrengend ist. Oder dir im Vorbeigehen noch einen blöden Kommentar „hineindrückt“. Mein Tipp an dich: Nimm nicht alles persönlich. Ich weiß, das ist auch wieder leicht gesagt, denn wen triggert es nicht, dass dein pubertierendes Kind dich als nervig oder peinlich empfindet. Oder der Chef dich zu Unrecht anmotzt. Aber wenn du diese Situationen persönlich nimmst, können nur beide Parteien verlieren. Du gerätst in einen Rechtfertigungsmodus, dein Gegenüber reagiert sofort darauf und so schaukelt ihr euch gegenseitig hoch. Bleib cool und sage dir, dass das, was die Person da von sich gibt, viel mehr über sie selbst aussagt als über dich. Wer weiß, welche Laus deinem Chef gerade über die Leber gelaufen ist oder welche anderen Probleme deine Kollegin hat. Das aber liegt in deren Verantwortungsbereich, nicht in deinem! Vielleicht hilft dir diese Perspektive, dich innerlich abzugrenzen und das Problem bei der Person zu lassen, zu der es auch gehört. Du bist nicht für das Glück der ganzen Welt verantwortlich, nur für dich selbst!

Kommunikation

  • Sei sorgfältig mit und in deiner Kommunikation. Es bringt weder dir noch deinem Gegenüber etwas, wenn du ins gemeinsame Jammern / Lästern mit einstimmst. Oder sogar provozierst, weil du dich hilflos fühlst. Das ist eine Einladung für noch mehr Frust, noch mehr Gejammer und führt zu keinem wirklichen Ergebnis. Du bleibst irgendwann energielos zurück und hast nichts gewonnen. Wie kannst du aber signalisieren, dass du Ruhe haben oder du deinem Gegenüber den Wind aus den Segeln nehmen möchtest? Wie kannst du innerlich gelassen bleiben und das nach außen auch ausstrahlen?
  • 1. Rechtfertige dich nicht. Es bringt nichts, wenn du etwas abstreitest („Es stimmt nicht, was du sagst“).
  • 2. Verwende Ich-Botschaften wie: „Das habe ich anders wahrgenommen / erlebt, ist anders bei mir angekommen.“
  • 3. Vermeide außerdem Generalisierungen wie „immer“, „nie“, denn das provoziert dein Gegenüber noch mehr bzw. spornt es an, sich zu verteidigen.
  • 4. Zu guter Letzt achte im Gespräch auf deine Körpersprache. Keine Augen verdrehen oder entsprechende Mimik. Bleib ruhig, sprich in ruhigen Ton und strahle Gelassenheit aus. So bietest du keine Angriffsfläche und dein Gegenüber wird über kurz oder lang merken, dass du keine Auseinandersetzung möchtest.

Sonstiges

Natürlich gäbe es noch mehr Alternativen wie nein sagen, Grenzen setzen, Mitgefühl zeigen, bei dir bleiben bis hin zum Kontaktabbruch etc. Aber das würde diesen Artikel sprengen. Vielleicht reicht es dir bereits, ein paar alltägliche Routinen zu verändern, wie z.B.  die gemeinsame Mittagspause nicht mehr mit der anstrengenden Kollegin zu verbringen. Wichtig ist, dass du auf dich und dein Gefühl hörst, was du gerade brauchst. Du bist alleine für dich und deine Selbstfürsorge verantwortlich.

Denn auch hier gilt: Das Leben ist doch viel zu kostbar, um es mit solchen Energieräubern zu verbringen. 

2 Kommentare

  • Roswitha Böhm

    Moin Anette,
    wie schön zu sehen das auch noch andere Menschen den Begriff “Engerievapmpier” benutzen! ‍♀️
    Vor vielen Jahren habe ich mich bereits von dem ersten getrennt. Mir ging es irgendwie jedesmal schlecht, nachdem er sich gemdelt hatte. (Eine sehr manipulative Persönlichkeit und narzistisch veranlangt. Leider habe ich Jahre gebraucht um das zu erkennen.) Seitdem ging es mir schon besser.
    Dann gibt es da noch Verwandschaft, die ebenfalls zu dieser Vampirart zählt. Zu der einen – glücklicherweise einige 100tert Km weit weg – habe ich inzwischen den Kontakt abgebrochen (auch wenn mir viele gesagt haben, dass könne ich doch nicht machen). Spoiler: Oh doch, ich KANN!
    Die andere werde ich leider zwangsläufig nicht los. Ab und an sieht man sich eben bei der Famlie, auf Feiern etc.. Aber ich versuche das extrem zu reduzieren und ihr einfach möglichst aus den Weg zu gehen. Ich lasse mich auf keine Diskussionen (mehr) ein, die ohnehin zu nichts führen, setze mich möglichst weit weg und gehe zur Not “frische Luft schnappen”. Du hast Recht, dass ist wirklich nicht immer einfach. Aber es hilft.
    Am schwierigsten sind nur zwei Dinge: 1. sich klar zu werden dass die Person einem nicht gut tut und 2. sich von ihr (so gut es geht) zu verabschieden – ohne sich von anderen reinquatschen zu lassen!
    Ich wünsche allen viel Erfolg und Einsicht! Glaubt mir, es wird euer Leben unendlich bereichern! ☺️
    Liebe Grüße
    Rosi

    • Anette

      Liebe Rosi,
      schön, dass du es auch so siehst. Und klar, wir können den Kontakt abbrechen oder stark einschränken, wenn wir merken, dass uns das nicht guttut. Es bedeutet halt immer, seinen Standpunkt auch gegen das soziale Umfeld zu behaupten, das meint, vieles besser zu wissen. Es ist mitunter ein langer Weg, aber er lohnt sich!
      Viele Grüße
      Anette

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