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Sei wie Pippi – nicht wie Annika? Warum wir beide Seiten brauchen

„Sei wie Pippi, nicht wie Annika!“ Dieser Satz lief mir mehr als einmal in der Vorbereitung zu der neuen Folge unseres Podcasts „Once upon a coach“ über den Weg. Erst mal war ich erstaunt: Was stimmt nicht mit Annika? Wieso sollte ich wie Pippi sein? Es klang in meinen Ohren zunächst frech, wild und verlockend. Denn wer wäre nicht gerne so stark, selbstbewusst und frei wie Pippi Langstrumpf? Pippi kümmert sich nicht um Regeln, sie stellt ihre eigenen auf. Sie trägt ihre Zöpfe mit Stolz und hebt mit einem Arm ein Pferd hoch. Sie lässt sich nichts gefallen, denkt quer, handelt unkonventionell und macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt. Und Annika? Die steht daneben, sagt: „Das darf man aber nicht“ oder „Ich glaube, das ist keine gute Idee.“ Annika wirkt im Vergleich oft brav, angepasst, ängstlich. Eben das Gegenteil von Pippi. Und genau deshalb wird sie so oft übersehen. Oder als Angsthase abgestempelt. Dabei steckt in Annika viel mehr, als man auf den ersten Blick sieht.

In unserem Podcast hatten wir eine Coachingsession mit Annika – der vielleicht stillsten Figur in Pippis Welt. Und plötzlich war klar: Annika ist viel mehr als die brave Nebenrolle. Sie ist eine von uns. Eine, die sich sorgt, die mitfühlt. Eine, die oft genau weiß, was richtig ist – es nur nicht laut hinausschreit. Und eine, die sich manchmal einfach nicht gesehen fühlt, deren Bedenken einfach übergangen werden und die als Angsthase dargestellt wird. Aber so einfach ist es nicht. Denn unter dem Deckmantel von Zurückhaltung und Vorsicht schlummern Qualitäten, die wir viel zu oft unterschätzen. Und wenn wir ehrlich sind: Wer von uns ist schon wirklich Pippi? Die meisten sind doch eher wie Annika. Und das ist auch gut so. Genau deshalb lohnt sich ein zweiter Blick auf diesen Satz mit Pippi und Annika.

Wer ist hier eigentlich die Mutige?

Wir müssen nämlich mal über Mut reden. Es ist leicht, Pippi als mutig zu sehen. Klar, sie springt in jedes Abenteuer, zieht in den Krieg gegen die Erwachsenenwelt, lacht der Angst ins Gesicht und erklärt die Schule für optional – oder zumindest die Art des Lernens. Aber mal ehrlich: Würdest du in einen selbstgebauten Heißluftballon steigen? Annika macht genau das. Und nicht nur einmal. Sie macht jeden Quatsch mit. Nicht, weil sie keine Angst hat – sondern trotz ihrer Angst. Das ist Mut. Er ist still, leise, ohne lauten Applaus. Aber echt. Annika ist die, die man oft übersieht, obwohl sie immer da ist. Sie ist die beste Freundin, die mitzieht, wenn Pippi wieder eine verrückte Idee hat. Die, die sich Sorgen macht – aber trotzdem mitkommt. Die aufpasst, dass keiner verloren geht. Die fragt, ob alle genug Wasser dabeihaben. Die mitdenkt. Die nicht laut ist, aber loyal. Und genau deswegen ist Annika für mich eine Heldin. Eine stille und unterschätzte. Eine, die man braucht.

Aber Annika ist nicht nur die Nette, die sich kümmert. Sie ist auch die, deren Bedenken oft nicht ernst genommen werden. Pippi und Tommy tun sie gerne mal ab. „Ach, Annika, stell dich nicht so an.“ „Jetzt sei doch kein Angsthase.“ Ihre Sorgen prallen an der Abenteuerlust der anderen ab, wie Wasser an einer Regenjacke. Und irgendwann bleibt sie still. Sie fühlt sich übergangen, nicht gehört. Dabei hat sie oft ein gutes Gespür für das, was fehlt, was schiefläuft, was andere übersehen. Auch das ist wichtig und verdient Raum.

Wenn alle Pippi wären…

Klar, die Welt braucht Pippi. Die Rebellin. Die Visionärin. Die, die Grenzen einreißt, weil sie gar nicht einsieht, warum sie da sein sollen. Die, die sich nicht klein machen lässt. Die, die sagt: „Ich kann das. Ich mach das. Ich probier das einfach aus.“ Aber was, wenn alle so wären wie Pippi? Das mag ich mir gar nicht vorstellen. Dann wäre Chaos vorprogrammiert. Es keine Checklisten, keine Verantwortlichen, keine Struktur. Niemanden, der mal an die Brotzeit denkt oder der vorsichtig fragt: „Was, wenn es schiefgeht?“ Niemanden, der die Scherben aufhebt, wenn Pippi wieder mal einen Vorschlaghammer herausgeholt hat.

Und umgekehrt: Wenn alle wie Annika wären? Auch das kann ich mir nicht so recht vorstellen. Dann würde sich die Welt vermutlich etwas langsamer drehen. Mit mehr Absicherung, mehr Gesprächen, mehr Planung – aber vielleicht auch mit mehr Stillstand. Mehr „Darf ich das?“ als „Ich mach’ das jetzt einfach.“

Die Wahrheit ist: In beiden zusammen liegt die Magie. Pippi braucht Annika. Und Annika braucht Pippi. Pippi reißt Grenzen ein – und Annika hilft, die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Pippi könnte sich nie so zeigen, wenn Annika nicht wäre.

Zwei Seiten des gleichen Mutes

Wir denken so oft in Gegensätzen: Entweder du bist wild und mutig. Oder vorsichtig und ängstlich. Aber das stimmt nicht. Mut hat viele Gesichter, wie wir in der Geschichte von Pippi Langstrumpfsehen. Pippi zeigt ihn laut, Annika zeigt ihn leise. Beides ist Mut. Pippi stürmt los, ohne zu fragen. Annika fragt, obwohl sie losstürmen könnte. Beide überwinden etwas. Beide gehen ein Risiko ein. Beide handeln – nur unterschiedlich. Aber auch Pippi, so laut sie ist, ist nicht nur Krawall. Sie ist zutiefst sensibel. Sie lebt alleine, weil ihre Mutter im Himmel ist und ihr Vater auf hoher See. Vermutlich überspielt sie vieles, weil sie fühlt. Ihre Wildheit ist Schutzschild und Ausdruck zugleich. Und ihre Grenzenlosigkeit ist auch eine Art Einsamkeit. Nicht jede:r hält es gut mit ihr aus. Aber vielleicht ist es gerade das, was sie mit Annika verbindet: Beide spüren mehr, als sie zeigen. Nur eben auf unterschiedliche Weise.

Was heißt das für dich und mich?

Wenn du eher wie Annika bist: Du musst nicht Pippi werden. Du darfst Annika bleiben. Aber vielleicht darfst du dir ab und zu ein bisschen Pippi-Energie leihen. Dann, wenn du dich zu oft klein machst oder wenn du dich anpassen willst, obwohl du es besser weißt. Wenn du schweigst, obwohl du eigentlich losgehen willst.

Und wenn du eher wie Pippi bist: Du musst nicht ruhiger werden. Aber vielleicht darfst du dich fragen, ob dein Tatendrang manchmal etwas überdeckt. Ob du manchmal aneckst, wo Zuhören guttäte. Ob du dich hinter deiner Kraft versteckst, obwohl du Verletzlichkeit zeigen dürftest. Ob gerade jetzt etwas mehr Ruhe angesagt wäre und weniger Trubel.

Ich war immer eher wie Annika: Die, die dabei steht, still ist, zuhört und sich erst mal Gedanken macht. Als Kind habe ich mich jedoch viel mehr mit der Figur der Pippi angefreundet und mir gewünscht, ich könnte so sein, wie sie. Heute habe ich mehr Pippi-Energie, bin aber immer noch eher Annika, und das ist auch völlig in Ordnung. Denn die innere Pippi ist keine Heldin statt Annika – sie ist eine Heldin neben ihr. Und umgekehrt. In dir / mir darf beides wohnen. Die Rebellin. Und die Rücksichtsvolle. Die Mutige. Und die Vorsichtige. Die, die macht. Und die, die mitdenkt.

Ein paar Fragen für dich

Wenn du denkst, du hast mal wieder von der einen oder anderen Energie zu viel oder zu wenig, dann kannst du dir ja diese Fragen stellen:

  • Wo bremst dich deine innere Annika, obwohl du eigentlich losgehen willst?
  • Wo wäre ein bisschen Pippi-Energie hilfreich, um dich aus alten Mustern zu befreien?
  • Und umgekehrt: Wo bringt deine innere Pippi vielleicht gerade zu viel Unruhe – und es wäre gut, wenn Annika die Tasse Tee reicht und sagt: „Setz dich mal.“

Du wirst merken: Du brauchst beides. Viel mehr noch: Es steckt beides in dir. Und genau darin liegt deine Kraft.

Fazit: Sei wie Pippi. Sei wie Annika. Sei wie du.

„Sei wie Pippi, nicht wie Annika“ – das ist ein Satz, der mich zum Nachdenken anregte. Denn wenn ich wirklich hinschaue, geht es nicht um ein „entweder oder“, sondern um ein „sowohl als auch„. Pippi inspiriert mich, groß zu denken. Annika hilft mir, sorgsam zu handeln. Pippi ist das Feuer. Annika das Wasser. Zusammen bringen sie das Leben zum Blühen. Daher meine Bitte an dich: Vergiss deine Annika nicht, und versteck deine Pippi nicht. Die Welt braucht beides. Und du auch.


Falls du einen Blick in die Folge mit Annika werfen willst, dann kannst du das hier unten tun. Übrigens: Wir veröffentlichen derzeit alle zwei Wochen eine neue Folge. Daher: abonniere am besten den Kanal!

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