Energieräuber Teil 8: Prokrastination
Sei mal ehrlich: Du hast diesen Artikel geöffnet und hättest eigentlich noch andere Sachen zu tun, als weiterzulesen. Oder du musst noch Wäsche waschen, doch bei einem schnellen Blick auf dein Handy bleibst du an einem Katzenvideo hängen. Oder das Geschirr in der Spüle ist wichtiger als dich an deinen Schreibtisch zu setzen und mit der Steuererklärung anzufangen. Kommt dir das bekannt vor? Dann solltest du dich mit Prokrastination etwas näher beschäftigen.
Was ist Prokrastination?
Prokrastination ist einer der größten Energieräuber. Unerledigte und aufgeschobene Aufgaben erledigen sich normalerweise ja nicht von selbst (auch wenn es hier im Rheinischen das Sprichwort gibt, dass sich manches von alleine erledigt). Vielmehr sitzt dir z.B. deine Steuererklärung immer im Hinterkopf. Mit jedem Gedanken daran wächst dein schlechtes Gefühl und Gewissen. Das wiederum zieht Energie, du bist gefrustet und kommst unter Druck und Stress, wenn deine Deadline immer näher rückt.
Wie aber wird Prokrastination definiert? Was sind die Merkmale?
Da ich bereits einen Artikel hierzu geschrieben habe, kannst du das Meiste dort nachlesen. Ich versuche, mich auf das Wesentliche zu beschränken.
Fakt ist, dass Prokrastination (noch) keine Erkrankung nach dem ICD10 ist. Dennoch ist es in der Regel mehr als “nur” Faulheit. Die Prokrastinationsambulanz an der Uni Münster bezeichnet es als eine “wissenschaftliche Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten. Prokrastination ist eine ernstzunehmende Arbeitsstörung und kann sowohl private Alltagsaktivitäten als auch schulische, akademische und berufliche Tätigkeiten betreffen.” (siehe Uni Münster; https://www.uni-muenster.de/Prokrastinationsambulanz/prokrastination.html). Hat es einen Krankheitswert, dann solltest du dir schleunigst professionelle Hilfe holen, um dich daraus zu befreien. Denn neben der eigenen Enttäuschung, mit sich selbst nicht klarzukommen, kann es weitere behandlungsbedürftige Erscheinungsbilder wie depressive Verstimmung oder andere psychische Probleme nach sich ziehen. Prokrastination kann aber auch eine Art “Nebeneffekt” anderer psychischer Erkrankungen wie ADHS etc. sein. Eine genaue Diagnose kann nur eine Fachärzt:in oder Psycholog:in stellen.
Aber ich spreche heute nicht von der behandlungsbedürftigen Form des Prokrastinierens. Vielmehr geht es mir um die, sagen wir mal “leichtere”, aber dennoch beeinträchtigende Form, die dir deine Energien raubt. Die, die ich oben zu Beginn beschrieben habe.
Warum neigen wir zur Prokrastination?
- Wenn wir etwas anderes als das, was eigentlich erledigt werden sollte, machen, dann hat diese Ersatzhandlung zunächst einen schnellen positiven Effekt. Beispiel: Du räumst zuerst deinen Schreibtisch auf, bevor du dich an die Steuererklärung machst. Das macht dich zunächst zufrieden. Dass du durch das Prokrastinieren negative Konsequenzen, wie z.B. vermehrten Stress und Zeitdruck, hast, zeigt sich erst später.
- Meist sind solche Aufgaben wie die Steuererklärung unangenehm. Daher: Lieber aufschieben. Besonders, wenn die Deadline noch weit hin ist bzw. überhaupt keine Deadline in Sicht ist. Das verhindert zumindest für den Moment das unangenehme Gefühl.
- Das, was uns unangenehm ist, ist häufig eine Aufgabe, von der wir denken, wir können sie nicht so ohne weiteres bewältigen. In unseren Köpfen lauert die eine oder andere Versagensangst. Das nennt man passive Prokrastination. Oder aber unser eigenes Ziel ist so hoch gesteckt, dass wir es nicht erreichen können. Kein Wunder, dass wir so etwas lieber erst mal von uns schieben.
- Oder aber du denkst, du könntest unter Zeitdruck viel besser arbeiten und bessere Ergebnisse bringen. Das nennt sich aktive Prokrastination.
Egal, ob du dir ein besseres Ergebnis versprichst, indem du aufschiebst oder ob du unangenehme Gefühle vermeiden willst, sobald es deinen Alltag beeinflusst, sodass du negative bzw. dauerhafte gesundheitlich Folgen davon trägst, dann solltest du dich um professionelle Hilfe kümmern. Damit du vielleicht besser einschätzen kannst, wo du stehst, kannst du einen Selbsttest der Prokrastinationsambulanz Münster hier machen.
Was kannst du selbst gegen Prokrastination tun?
Auch dazu findest du viele Tipps in meinem bereits genannten ausführlichen Artikel zur Prokrastination.
Eine wichtige Strategie möchte ich dir hier nennen:
- Mache eine Erklärungsabsicht. Von “Irgendwann demnächst muss ich noch meine Steuererklärung machen” zu “Ich mache meine Steuererklärung am nächsten Wochenende”
- Mache dir danach sofort einen Plan: Was brauchst du alles dafür (Unterlagen, PC, Programm…) und schätze eine ungefähre Zeit.
- Zerlege den Plan in kleine Teilschritte wie z.B. erst die Belege sortieren, das Programm einrichten etc. Alles beginnt mit einem ersten Schritt, wie du ja sicherlich weißt.
- Visualisiere dein Ziel, denn alles muss auch mal ein Ende haben. Eine neverending story hilft niemanden. Z.B. “Am xy. gebe ich meine Steuererklärung ab. Anschließend räume ich meine Sachen wieder weg und habe einen ordentlichen Schreibtisch”.
- Günstig sind auch klare Zeitfenster, in denen du arbeitest, aber auch die kleinen Pausen dazwischen, solange sie nicht endlos werden und wieder zum Prokrastinieren führen. Mit kleinen Pausen kannst du deine Energien immer wieder auftanken. Das hilft dir, an der Aufgabe dranzubleiben und sie schließlich als erledigt abzuhaken.
Das sind nur wenige, aber wichtige Tipps. Weitere findest du im oben genannten Artikel.
Fazit
Es gibt behandlungsbedürftiges Prokrastinieren und solches, das du noch selbst regulieren kannst. Überlege genau, woran es bei dir liegt und mache dir nach dem oben vorgeschlagenem Raster einen Plan. Vergiss nicht, dass Pausen enthalten sein sollten. Fang mit einem kleinen Schritt an. Du wirst sehen, nichts tut weh und du wirst deine nicht bezwingbar erscheinende Aufgabe auch schaffen.
Wenn du mehr zum Prokrastinieren bei dir selbst wissen willst, dann kannst du den Selbsttest machen. Im Bedarfsfall hol dir professionelle Hilfe.
In diesem Sinne: auf an die Steuererklärung oder was immer es bei dir ist! Prokrastination lebe wohl!