Persönliches

Weltfrauentag 2025 – Ein Happy Women Day?

Nachdem ich in den vergangenen Jahren Artikel zum Weltfrauentag am 8. März geschrieben habe (2021: Brauchen wir einen Weltfrauentag? Weltfrauentag 2023: Embrace Equity Weltfrauentag 2024: Inspire inclusion) dachte ich, dieses Jahr halte ich mich zurück. Denn was gibt es schon Neues? Traurig aber wahr: nicht besonders viel. Als ich jedoch heute Morgen in meinen E-Mail-Account geschaut habe, habe ich einige E-Mails zum Weltfrauentag vorgefunden. Aber keine solchen, die zur Solidarität mit Frauen in der Welt aufrufen, nichts über die verschieden Gaps, nichts zur vermeintlichen Gleichberechtigung. Vielmehr habe ich verschiedene Mails zu Rabatten für Blumen, für Schmuck, für Kleidung, für Kosmetik geöffnet, die Frauen ermutigen, sich doch etwas Besonderes zu „gönnen“. What the fuck? Ist dieser Tag mit seinem offensichtlichen Konsumfokus zu einen Tag der Rabatte verkommen und versperrt damit den Blick darauf, was er eigentlich ist? Ein Tag des Kampfes für Gleichberechtigung „all over the world“. Erneut habe ich mir – wie jedes Jahr – die Frage gestellt: Brauchen wir diesen Tag überhaupt noch, wenn er sich so zeigt? Anlass für mich, doch noch einen Artikel darüber zu schreiben.

Ein Blick auf die harte Realität

Der Verein SOLWODI in Deutschland hat pünktlich zum diesjährigen Weltfrauentag neue Zahlen veröffentlicht. Vielleicht muss ich noch vorausschicken, dass SOLWODI vor über 30 Jahren ursprünglich in Kenia gegründet wurde. Ziel war es, Frauen, die aus der Not heraus als Prostituierte arbeiten mussten, helfen, auszusteigen. Präventiv setzt der Verein in Kenia heute auch darauf, Mädchen mit Bildungsangeboten und berufsqualifizierenden Maßnahmen zu unterstützen. Als die Gründerin, Sr. Dr. Lea Ackermann, in den 80ern nach Deutschland zurückkam, erkannte sie die Probleme ausländischer Frauen in Deutschland und gründete SOLWODI in Deutschland. Der Name des Vereins bedeutet Solidarity with women in distress und berät hier Frauen und Kinder in Not, hat Schutz- und Wohnprojekte und setzt sich ein gegen jegliche Form der Gewalt gegen Frauen. Hier also die veröffentlichten Zahlen in kurzer Zusammenfassung:

2589 Frauen aus 116 Ländern haben bei den Fachberatungsstellen von SOLWODI Hilfe gesucht. Das ist ein Anstieg um 12% zum Vorjahr. Einen drastischen Anstieg verzeichnete SOLWODI bei der sogenannten „Ehrgewalt“, also Frauen, die von einem Ehrenmord bedroht waren oder zwangsverheiratet werden sollten. Die Dunkelziffer ist ebenfalls nicht zu verachten, also die Zahl der Frauen, die den Mut nicht aufbringen, sich Hilfe zu holen oder es aus verschiedenen Gründen nicht schaffen. Neben der physischen und sexuellen Gewalt leiden viele Frauen unter traumatischen Erfahrungen. Die Nachfrage an Therapie- und / oder Schutzplätzen ist höher als es diese in der Realität gibt. Das kürzlich verabschiedete Gewalthilfegesetz ist zwar ein Schritt in die richtige Richtung, doch hapert es (noch) an der Umsetzung. Und das sind nur die Zahlen von SOLWODI. Dazu kommen ja noch die staatlichen Beratungsstellen, Frauenhäuser, kirchliche Organisationen etc..

Femizide: Gewalt gegen Frauen als gesellschaftliches Problem

Die wohl drastischste Form der Ungleichbehandlung sind geschlechtsspezifische Morde an Frauen. Allein in Deutschland wird fast jeden zweiten Tag eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Weltweit sind Femizide ein massives Problem. Diese Morde sind keine Einzelfälle oder „Familiendramen“, sondern das Extrem einer tief verankerten gesellschaftlichen Struktur, die Frauen als weniger wert ansieht und in der Männer glauben, Kontrolle über „ihre“ Frauen ausüben zu können. Trotzdem wird Gewalt gegen Frauen oft bagatellisiert oder ignoriert. Frauenhäuser sind chronisch unterfinanziert, Schutzmaßnahmen greifen oft zu spät. Dass der Weltfrauentag auf diese Missstände aufmerksam macht, ist also bitter notwendig. By the way: alle drei Minuten erlebt eine Frau irgendeine Form von Gewalt.

Die Gender Gaps: Wenn Gleichberechtigung nur auf dem Papier existiert

Ein großer Fortschritt in den letzten Jahrzehnten ist, dass Frauen in vielen Ländern formal die gleichen Rechte haben wie Männer. Doch auf dem Papier gleichberechtigt zu sein, bedeutet nicht, dass die Realität diesem Ideal entspricht.

Nehmen wir die Gender Pay Gap. Frauen verdienen weltweit im Durchschnitt weniger als Männer. In Deutschland liegt die unbereinigte Lohnlücke bei rund 18 Prozent (Stand 2024). Das bedeutet, dass Frauen – selbst bei gleicher Qualifikation und vergleichbarer Berufserfahrung – oft weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen. Dadurch – und dass sie häufiger für die Erziehung der Kinder zuständig sind und weniger arbeiten können – können sie weniger in die Rente einzahlen. Jede 5. Frau über 65 ist somit armutsgefährdet.

Auch die Gender Care Gap ist ein Problem: Frauen übernehmen nach wie vor den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit. Haushalt, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen – all das wird überwiegend von Frauen gestemmt. Diese Doppelbelastung führt dazu, dass viele Frauen in Teilzeit arbeiten, schlechter abgesichert sind und später eine geringere Rente erhalten (Gender Pension Gap).

Frauen und Medizin

Frauen und deren eigene Bedürfnisse werden in der Medizin häufig übersehen, da medizinische Studien häufig auf Daten von Männern basieren. Warum ist das ein Problem? Frauen haben teilweise andere Symptome als Männer. Dadurch werden Krankheiten unter Umständen später erkannt. Medikamente wirken anders (durch unterschiedliche Hormonzusammensetzung im Körper) und sind häufiger falsch dosiert. Außerdem fehlen Studien zu frauentypischen Erkrankungen wie Emdometriose oder Lipödem.

Politische und wirtschaftliche Macht: Eine Männerdomäne

Wie steht es um Frauen in Führungspositionen? Der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten ist in den letzten Jahren gestiegen, doch von Parität sind wir weit entfernt. In Deutschland sind nur etwa 10 Prozent der DAX-40-Vorstandsposten mit Frauen besetzt. In der Politik sieht es ähnlich aus: Frauen stellen oft nicht die Mehrheit in den entscheidenden Gremien. Ich bin gespannt, wie hoch der Frauenanteil in der neuen Bundesregierung sein wird. Mir schwant nicht allzu Gutes.

Die fehlende Repräsentation in Machtpositionen führt dazu, dass viele politische und wirtschaftliche Entscheidungen an den Lebensrealitäten von Frauen vorbeigehen. Ob es um Mutterschutzregelungen, Frauenquoten oder finanzielle Absicherung geht – die Interessen von Frauen stehen selten im Mittelpunkt.

Die Gefahr des „Happy Women’s Day“

Viele Unternehmen und Marken haben den Weltfrauentag, ähnlich wie den Valentinstag, den Muttertag oder wie diese sogenannten „Feiertage“ alle heißen, mittlerweile als Marketing-Event entdeckt. Doch anstatt ihn als Anlass zur Reflexion und zur Förderung echter Gleichstellung zu nutzen, bleibt es oft bei hohlen Botschaften.

Wenn der Weltfrauentag nur als „Feiertag für Frauen“ verkauft wird, der mit Blumen, Rabattcodes und Wellnessangeboten gefeiert wird, verliert er seinen eigentlichen Zweck. Stattdessen sollten Unternehmen und Institutionen sich fragen: Wie und was können sie konkret zur Gleichstellung beitragen? Dazu gehören u.a. transparente Gehaltsstrukturen, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine konsequente Bekämpfung von Sexismus am Arbeitsplatz. Und noch so viel mehr..

Fazit: Ja, wir brauchen den Weltfrauentag – aber anders!

Solange Frauen weniger verdienen, mehr unbezahlte Arbeit leisten, weniger in Machtpositionen vertreten sind und Gewalt erfahren, ist der Weltfrauentag notwendig. Aber nicht als Blumen- und Rabattaktion, sondern als Kampftag für echte Gleichberechtigung.

Anstatt Frauen zu sagen, sie sollen sich „etwas Gutes tun“, sollten wir uns als Gesellschaft fragen: Was müssen wir ändern, damit echte Gleichstellung erreicht wird? Ich brauche keinen Blumenrabatt, ich will nicht gönnerhaft behandelt werden, ich will keine Nachrichten mehr lesen müssen, dass Schwangerschaftsabbrüche kriminalisiert werden. Ich will auch nicht zu hören bekommen „Für eine Frau machst du das aber ganz gut“. Ich bin müde, immer wieder erklären zu müssen, wo doch eigentlich keine Erklärung mehr nötig wäre. Solange diese Fragen und Anschauungen nicht überflüssig geworden sind, solange brauchen wir den 8. März mehr denn je. Lasst uns Solidarität zeigen mit den Frauen, die nicht für sich eintreten können. Lasst uns gemeinsam laut werden. Heute und an den restlichen 364 Tagen im Jahr!

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