Persönliches,  Stressmanagement

Warum es besser ist, in Stresssituationen nicht zu atmen – eine neue Atemtechnik

Wenn du mir schon einige Zeit folgst, dann kennst du das bereits von mir: Ich empfehle, bestimmte Atemtechniken in Stresssituationen einzubauen als einfachste Methode, um den Stress in den Griff zu bekommen. Bisher habe ich allerdings immer nur von tiefen Ein- und Ausatmen geredet. Doch was wäre, wenn ich dir heute sage, dass diese Technik in Stresssituationen möglicherweise kontraproduktiv sein könnte?

Neueste Untersuchungen haben nämlich genau das ergeben. Wissenschaftler empfehlen mittlerweile eine andere Atemtechnik. Und darüber möchte ich dir heute berichten: nämlich warum es besser ist, in Stresssituationen einfach mal die Luft anzuhalten und nicht zu atmen.

Die Ausgangssituation zum Aussetzen der Atmung

Stresssituationen sind oft unvermeidbar und können uns im Alltag schnell belasten. Unser Körper schaltet dann sofort in einen Kampf- oder Fluchtmodus und veranlasst uns, schneller und flacher zu atmen. Das führt dazu, dass unser Körper mehr Sauerstoff aufnimmt, was unsere Gedanken und Emotionen noch stärker anregt. Es ist ein Teufelskreis, der uns in einen immer tieferen Zustand der Anspannung bringt. Dies kann dazu führen, dass wir uns noch mehr gestresst und ängstlich fühlen.

Indem wir uns jetzt bewusst dazu entscheiden, in Stresssituationen nicht zu atmen, können wir unseren Körper daran hindern, in diesen Kampf- oder Fluchtmodus zu wechseln. Stattdessen können wir uns erlauben, in der Situation zu verweilen und unsere Gedanken und Gefühle zu beobachten, ohne von ihnen mitgerissen zu werden. Das kann uns helfen, unsere Emotionen besser zu regulieren und schneller zu einem Zustand der Ruhe und Klarheit zu bringen.

Ein weiterer Vorteil dieser Technik ist, dass sie überall und jederzeit angewendet werden kann. Du benötigst keine speziellen Hilfsmittel oder einen ruhigen Ort. Selbst in einer überfüllten U-Bahn kannst du für einige Sekunden das Atmen einstellen und deine Gedanken beruhigen.

Wo wird die Technik bereits genutzt?

Sicher kennst du auch die Redewendung “Einfach mal die Luft anhalten“. Die benutzen wir unter anderem, wenn uns unser Gegenüber zu viel redet und wir Ruhe und Klarheit benötigen.

Bild: Jakub Chlouba auf Unsplash

Ein weiteres positives Beispiel zum Luft anhalten: Apnoetaucher. Das sind die Menschen, die ohne Atemgeräte mit nur einem Atemzug tauchen. Der Weltrekord liegt aktuell bei den Damen bei 9:02 Minuten (bei den Herren sogar bei 11:35 Minuten). Apnoetauchen, auch Freitauchen genannt, ist die älteste und ursprünglichste Form des Tauchens. Es geht dabei unter anderem um bewusste Atmung mit Bewusstseinsübungen. Der Körper merkt, er muss Sauerstoff sparen, der Puls und der Stoffwechsel fährt runter, die Herzfrequenz wird langsamer, es wird weniger Energie verbraucht. Apnoetaucher berichten von Ruhe, fehlenden Geräuschen und fehlender Angst, wenn sie in den Tiefen sind. Oder, wie Jacques Mayol, der erste Taucher, der Yogatechniken mit Freitauchen verband, schon sagte:

Beim Freitauchen geht es um Stille…, die Stille, die von innen kommt

Jacques Mayol

All das macht sich diese neue Atemtechnik zunutze.

Wichtige Tipps, um das Aussetzen der Atmung zu üben

Natürlich muss die Technik, wie alles andere auch, geübt werden. Sie ist zudem nicht immer für jeden in allen Situationen geeignet. Also, erst üben, dann kannst du sie in Stresssituationen sicher anwenden.

Hier ein paar Tipps dazu:

  1. Beginne langsam: Wenn du das Aussetzen des Atmens noch nie ausprobiert hast, beginne mit kurzen Intervallen von fünf Sekunden oder weniger. Spüre, wie sich dein Körper verhält und wie schnell du deine Atmung wieder aufnehmen kannst.
  2. Vermeide, diese Technik in Situationen zu üben oder anzuwenden, in denen du dich selbst in Gefahr befindest oder in denen es wichtig ist, konzentriert und aufmerksam zu bleiben.
  3. Wähle zum Üben Situationen, in denen du eine kurze Pause machen kannst, wie zum Beispiel beim Warten auf den Bus oder in einer Schlange. Das ist die perfekte Gelegenheit. Du wirst sehen, wie schnell du dich beruhigst und wie deine Gedanken und Emotionen sich verändern.
  4. Beobachte deinen Körper: Während du das Atmen aussetzt, solltest du auf deinen Körper achten und spüren, wie er reagiert. Nimm wahr, wie sich deine Gedanken und Emotionen verändern und welche Verbesserung du spürst.
  5. Nachdem du das Atmen ausgesetzt hast, atme bewusst und tief ein und aus, um Sauerstoff in deinen Körper zu bringen. Spüre, wie sich deine Brust und dein Bauch dabei bewegen.
  6. Kombiniere mit anderen Techniken: Das Aussetzen des Atmens kann auch mit anderen achtsamen Techniken wie Meditation oder Yoga kombiniert werden, um deine Entspannung noch zu verbessern.
  7. Vertraue auf deine Intuition: Wenn du das Aussetzen des Atmens unangenehm findest oder nicht das Gefühl hast, dass es für dich funktioniert, versuche lieber eine andere Technik.
  8. Natürlich solltest du nicht vergessen, nach ein paar Sekunden wieder zu atmen. Aber das ist ja der einfache Teil!

Für wen ist die Aussetzung der Atmung nicht geeignet?

Selbstverständlich ist die Technik nicht für alle geeignet. Auch gibt es Situationen, wo du sie nicht anwenden solltest. Wichtige (Ausschluss-) Kriterien sind im Folgenden benannt:

  1. Wenn du an einer Lungenerkrankung oder Asthma leidest, solltest du diese Technik nicht anwenden.
  2. Ebenso solltest du sie nicht in Situationen anwenden, in denen du tatsächlich Atemnot hast, die gefährlich sein könnte oder deine Konzentration abverlangt (siehe Tipp 2).
  3. Natürlich solltest du diese Technik nicht zu lange anwenden. Du bist ja schließlich kein Apnoetaucher. Ich empfehle mit einer kurzen Sequenz zu starten, also zunächst 5 bis maximal 10 bis 15 Sekunden lang das Atmen einzustellen. Selbst diese kurze Pause kann dir schon dabei helfen, deine Gedanken und Emotionen unter Kontrolle zu bringen und zu einem ruhigeren Zustand zurückzukehren.
  4. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass diese Technik nicht als Ersatz für professionelle Hilfe oder medizinische Behandlung gedacht ist. Suche dann lieber einen qualifizierten Arzt oder Therapeuten auf.
  5. Wie bereits im obigen Tipp 6 benannt: Wenn du dich absolut unwohl mit dieser Technik fühlst, dann ist sie offensichtlich nichts für dich und du solltest dann deinem Körper lieber Sauerstoff gönnen. Besser nichts erzwingen. Apnoetauchen ist ja schließlich auch nichts für jeden Menschen.
  6. Außerdem ist es wichtig, diese Technik am besten unter Anleitung eines erfahrenen Achtsamkeitstrainers zu erlernen, um sicherzustellen, dass sie korrekt, sicher und verantwortungsvoll ausgeführt wird.

Fazit zur Technik “Aussetzen der Atmung”

Nachdem du alles gelesen hast, kommst du sicher auch zu derselben Schlussfolgerung: Hör auf zu atmen, wenn es dir zu viel wird! Denn wer braucht schon Sauerstoff, wenn man auch einfach in einer stressigen Situation die Luft anhalten kann, oder?

Ich hoffe, du probierst diese neue Atemtechnik mal aus. Profitiere von den positiven Ergebnissen, genauso wie deine Umgebung davon profitieren wird und die Stille, die du aussendest, genießen kann.

Wenn du dich aber wunderst, dass ich so etwas empfehle, dann hast du recht: Dieser Artikel zur neuen, ach so gefragten Atemtechnik ist nichts weiter, als ein Aprilscherz. Ich würde dir tatsächlich niemals empfehlen, in Stresssituationen die Luft anzuhalten, sondern dich mit anderen Techniken zu entspannen bzw. vorzubeugen. Welche das sind, das kannst du in meinen Artikeln lesen oder aber du lässt dich von mir in einem meiner Kurse begleiten. Wann der nächste startet, das erfährst du, wenn du meinen Newsletter abonnierst.

In diesem Sinne: Atme tief ein, atme tief aus – oder auch nicht! Und vergiss nicht zu lachen! Es ist schließlich der erste April!

Bild: Anke Sundermeier auf Pixabay

9 Kommentare

  • Kerstin Salvador

    Großartig, Entspannen durch Hyperventilieren. Ich war tatsächlich kürzlich in einem Kurs zu Atemtechnik, wo man auf 23 ausatmen und bis 10 halten musste ud dann auf 7 einatmen. War furchtbar. Bin gleich wieder gegenagen. War nix für mich.

  • Susanne Wagner Atemtherapie

    Liebe Anette, bin auf den Blog-Bot-Listen der TCS rumschnuppern gegangen und dann auf deinen Artikel gestossen – zum Glück trägt er das Datum 1. April – ich hatte schon nach Luft geschnappt voll auf den Punkt, dein Scherz! Leider gibt es online und anderswo einige Techniken, bei denen ich (als Mensch und als ausgebildete Atemtherapeutin) mich frage, wie «gesund» das schlussendlich ist, vor allem wenn der Mensch so weit von sich entfernt ist, dass er oder sie sich selbst gar nicht mehr spürt. Wie soll man da noch merken, ob etwas guttut oder eben nicht? Deine Aufklärung auf die humorvolle und harte Tour schafft Bewusstsein – das finde ich toll! Herzliche Atemgrüsse aus der Schweiz von Susanne

    • Anette

      Liebe Susanne, vielen Dank für dein Feedback. Du hast recht, es gibt auch andere Angebote, bei denen mir manchmal die Luft wegbleibt. Da gehe ich doch gleich nochmal eine Runde atmen!
      Herzensgrüße
      Anette

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