Persönliches

Wundersam, weise, wachgerüttelt – Fünf Bücher, die meine Welt neu sortiert haben

Es ist Blogparadenzeit in meiner Bloggerbubble “The Content Society”. So viele unterschiedliche Themen, an denen ich zeitgleich teilnehmen will. Edith Gould hat eine Blogparade ins Leben gerufen, zu der ich unbedingt etwas beitragen wollte: “Diese drei Bücher haben mein Leben auf den Kopf gestellt”.

Wie? Nur drei Bücher?

Als ich Ediths Aufruf gelesen habe, regte sich bei mir als Lesemonster Widerstand. Durfte ich tatsächlich nur drei Bücher vorstellen? Ich lese, seit ich 5 Jahre alt bin. Gemeinsam mit meinem Bruder hatte ich in der kleinen Bibliothek in unserem Ort irgendwann die für mein Alter relevanten Bücher durch. Egal, ob Enid Blyton, Michael Ende, Erich Kästner, Astrid Lindgren und was es zu der Zeit noch so alles gab. Irgendwann waren nur noch Sachbücher übrig. Was für ein Segen, später in der weiterführenden Schule auf die Bücher der dortigen Schulbibliothek zurückgreifen zu können. So zog sich das bis heute durch. Mithilfe von Büchern konnte ich in andere Welten abtauchen, meiner Fantasie freien Lauf lassen, mich mit den dortigen Held:innen identifizieren. Und vor allem: als Jugendliche und junge Erwachsene konnte ich meine persönlichkeitsbildenden Fragen durcharbeiten, die mir kein:e Lehrer:in, keine Eltern, kein sonstiger Erwachsene zufriedenstellend beantwortete.  Aus dieser Zeit sind auch die Bücher, um die es hier geht. Und – oh Wunder – es sind 5 geworden.

Fünf Bücher, die meine Welt neu sortiert haben

Manche der Bücher, die ich regelrecht verschlungen habe, waren für mich wie kleine Sternschnuppen, die mir den Weg zeigten, wenn ich nicht mehr wusste, wo vorne und hinten war. Andere wiederum wirkten wie ein warmer Sommerregen, der beängstigende Gedanken mit sich mitnahm und Platz schaffte für neue Gedanken. Und dann gab es diese besonderen Werke, die alles auf einmal machten: mein Herz berühren und gleichzeitig das Hirn fordern. Fünf solcher Bücher haben mich früh in meinem Leben gefunden und ihre Spuren hinterlassen. Teils begleiten sie mich auch heute noch: Hallo Mister Gott, hier spricht Anna, Der kleine Prinz, Die Möwe Jonathan, Der Papalagi und Siddhartha. Sie haben meine Perspektive auf das Leben, meine Gedanken und meinen Umgang mit anderen Menschen auseinandergenommen – und neu zusammengesetzt. Dieser Artikel ist eine Hommage an meine eigenen leisen Revolutionen.

“Hallo Mister Gott, hier spricht Anna“ – Fynn (Pseudonym)

Anna begegnet als 5-Jährige Fynn. Sie stellt Fragen, wie sie Erwachsene nicht mehr stellen. Sie philosophiert in den Gesprächen mit Fynn im wahrsten Sinne “über Gott und die Welt“. Viele dieser Fragen haben mich zu dem Zeitpunkt, als ich das Buch las (so mit 17) sehr stark beschäftigt. Ich war mit meiner Clique immer wieder auf monatlichen Jugendvespern. Dort und auch untereinander diskutierten wir sehr viele theologische und philosophische Fragen. Die Antworten, die Anna im Buch gab, waren von so einer überzeugenden Klarheit, dass ich das Buch sogar meinem Brieffreund in Indien schickte – auf Englisch natürlich! Zum Beispiel sagt sie über Gott: „Mister Gott liebt die Menschen, weil er sie gemacht hat. Aber er liebt sie nicht, weil sie gut sind, sondern obwohl sie es nicht sind.“ Das hat mein Bild von Glauben und Spiritualität geändert. Ich, die ich mit vielen konfessionellen Zwängen aufgewachsen bin, provozierte, hinterfragte und versuchte meinen Weg zu finden. Anna hat mich gelehrt, dass nicht alles verstanden werden muss, um bedeutsam zu sein. Und dass Fragen stellen kein Zeichen von Unwissenheit ist, sondern von Mut. Was habe ich geheult, als ich den Schluss gelesen habe. Dieses Buch war für mich wie ein Kompass für mein Herz – und ist es bis heute geblieben.

“Der kleine Prinz“ – Antoine de Saint Exupéry

Eine kleine Auswahl

Wer kennt nicht die Geschichte des kleinen Prinzen? Wie er dem -namenlosen – Piloten nach dessen Notlandung in der Wüste begegnet und ihm mit jedem Tag eine weitere Episode / Station von seiner Reise zur Erde erzählt. Jedes Kapitel so kraftvoll: z.B. der Trinker, der trinkt, um seine Trinksucht zu vergessen, der Geschäftsmann, der meint, die Sterne zu besitzen, die Liebe zu seiner Rose und schließlich seine Begegnung mit dem Fuchs. “Du bist zeitlebens für das verantwortlich, was du dir vertraut gemacht hast“ ist eines meiner Lieblingszitate und hat sich mir regelrecht eingebrannt.

Das Buch trat in mein Leben so mit ca. 15 Jahren. Ich hatte eine – weitere – Brieffreundin in Berlin, mit der ich schriftlich über viele verschiedene Dinge philosophierte. Auch heute noch merken wir, wie sehr es uns beide geprägt hat. Es gab mir das Gefühl, nicht einfach ein Buch zu lesen, sondern einer Geschichte zu lauschen, die mich selbst, mein innerstes Ich meinte. Das Buch hat mir mit seinen wenigen Seiten mehr über Freundschaft, Verlust, Liebe und Verantwortung beigebracht als viele Gespräche mit Erwachsenen. Im Buch geht es um Verbindung, um die Tiefe zwischen zwei Wesen – nicht um Oberflächlichkeiten, sondern um Beziehung. Für mich ein anderer Blick auf das, was mir – auch heute noch – wichtig ist. Das alles hat mir dieses Buch gezeigt. Man muss nur bereit sein, mit dem Herzen zu suchen.

Im Übrigen habe ich dieses Buch mit dem Tochterkind zusammen gelesen. Wir haben es als Theaterstück gesehen und als Hörbuch gehört. Ob es für sie auch so prägend war, wie für mich, kann ich nicht beurteilen.

“Die Möwe Jonathan“ – Richard Bach

Schon leicht zerfleddert und ausgeblichen

Ich glaube, ich war so mitten in der Abizeit, als mir diese Geschichte über den Weg lief. Was für ein Buch nach dem Sinn des Lebens. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl beim ersten Lesen: Da war eine Möwe, die nicht nur leben wollte, um zu überleben und Futter zu besorgen, sondern um zu wachsen, zu fliegen, zu lernen, zu perfektionieren. Da war jemand, der nicht in den Möwenschwarm passte. Die Möwe Jonathan war neugierig und unbeirrbar. Sie wollte mehr vom Leben als das, was ihr Schwarm als „normal“ definiert hatte. Das bewegt mich selbst heute noch tief. Ich hatte auch immer wieder das Gefühl, nicht so richtig in den kleinen Ort, in dem ich aufgewachsen bin, zu passen. Immer irgendwie eine Außenseiterin zu sein, obwohl Anpassung vieles einfacher gemacht hätte. Dieses Buch hat mir erlaubt, diese Sehnsucht nicht als Schwäche, sondern als Motor zu sehen. Ich durfte üben, meinen eigenen Kurs zu fliegen. Mich nicht kleinzumachen, weil andere ihre Flügel nie ausprobiert haben. Die Möwe Jonathan hat mir gezeigt: Es ist okay, wenn du nicht jeder Erwartung entsprichst. Es ist sogar wichtig. So wurde Lernen für mich zum Konzept des lebenslangen Lernens, als Weg zu immer neuer Entwicklung. Und ich gewann die Erkenntnis, dass Freiheit dort beginnt, wo du aufhörst, dich zu vergleichen.

“Der Papalagi“ – Erich Scheuermann

Das Buch handelt von – fiktiven – Reden des Häuptlings Tuiavii an sein Volk. Inhalt der Reden ist die Lebensweise des Papalagis – des „Weißen Mannes“. Dieses Buch war für mich damals (mit ca. 16) das unbequemste dieser fünf Bücher. Es hat mich aufgewühlt. Die Reden hielten mir einen unangenehmen Spiegel vor. Tuiavii beschreibt die westliche Welt mit den Augen eines Fremden: Ihre Hetze, ihren Konsumwahn, ihre Entfremdung, den Zeitmangel. So spricht er beispielsweise darüber, wie der Papalagi seine Zeit verkauft, seine Freiheit eintauscht gegen Verträge und Besitz. Mich hat es sehr angesprochen, steckte für mich doch so viel Wahrheit in dem Buch. Ich begann zu reflektieren: Was davon ist auch in mir? Wo funktioniere ich, statt zu fühlen? Wo rede ich über Freiheit, aber wähle Bequemlichkeit?

Heute lese ich es ein wenig mit anderen Augen. Das Buch wurde 1920 bereits geschrieben. Gedanken aus der Kolonialzeit sind dort sicherlich auch zu finden wie rassistische Überlegungen. So hat es für mich heute einen leicht bitteren Beigeschmack. Dass es für mich in meiner Jugendzeit lebensverändernd war, das mag ich jedoch nicht zu leugnen.

„Siddhartha“ – Hermann Hesse

Als ich Siddhartha von Hermann Hesse las, war ich mitten in einer Phase der inneren Suche. Ich war Anfang 20, machte ein FSJ in der offenen Psychiatrie und fragte mich ohnehin immer wieder, wo die „verrückte“ Welt begann und die „normale“ endete. Ich wusste vieles nicht: Wer ich bin, wohin ich will, was mir wichtig ist. Siddhartha beschreibt seinen Weg vom Jugendlichen zum (älteren) Erwachsenen, vom materiellen Leben zum spirituellen hin, von Erkenntnis, Erleuchtung, Ruhe, Askese, Reichtum, Lust, Einsamkeit, Einfachheit. Es ist voller Symbolik und lässt viel Raum für Interpretationen. Warum war es so wichtig für mich? Ich habe daraus mitgenommen, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Es gibt nur meinen Weg. Und der darf sich ändern. Dazu gehören auch Fehler und Irrtümer. Nicht jede Entscheidung muss richtig sein, um mich trotzdem näher zu mir selbst zu bringen. Siddhartha hat mich gelehrt, Vertrauen in den Fluss des Lebens zu haben – und dass wahre Erkenntnis leise kommt, oft dann, wenn ich aufhöre, zu suchen.

Fazit: Fünf Bücher für einen Boost der Persönlichkeitsentwicklung

Diese fünf Bücher fand ich nicht nur spannend. Sie haben etwas in mir verändert. Sie haben Fragen gestellt, die mich bis heute immer wieder beschäftigen – mal mehr, mal weniger. Sie haben mir Kraft gegeben, wenn ich sie brauchte, und meine Entwicklung unterstützt. Diese fünf waren wegweisend. Sie laden nicht zum schnellen Aha-Moment ein, sondern zum tiefen Dialog mit meinem eigenen Leben.

Hallo Mister Gott, hier spricht Anna hat mir beigebracht, dass Liebe und Spiritualität nicht aus Regeln bestehen, sondern aus Gefühl und Beziehung. Der kleine Prinz hat mir gezeigt, wie sehr wir mit dem Herzen sehen sollten. Die Möwe Jonathan hat mir Mut gemacht, meinen eigenen Weg zu gehen, auch wenn er nicht in den Möwenschwarm passt. Der Papalagi hat mich wachgerüttelt für die Absurdität vieler Selbstverständlichkeiten unserer modernen Welt. Und Siddhartha hat mir gezeigt, dass der Weg selbst das Ziel ist und es mein eigener Weg ist.

Diese Bücher haben meine Welt auf den Kopf gestellt – um mir zu zeigen, dass das vielleicht genau die richtige Richtung ist.

Mittlerweile sind natürlich noch einige Bücher mehr dazu gekommen. Vor allem aber liebe ich Kinderbücher, die mich immer wieder mit einer tiefen Botschaft in einfache Worte gefasst verzaubern. Über zwei hab ich bereits einen Artikel geschrieben: „Das kleine Ich bin Ich“ und „Frederick„.

Ich bin neugierig: welche Bücher haben dein Leben beeinflusst oder sogar verändert?

2 Kommentare

  • Edith Gould

    Liebe Anette

    Was für ein tiefer und tiefsinniger Einblick in deine 5 Persönlichkeitsentwicklungsboost-Bücher.
    Ich freue mich sehr, dass dieser Artikel Teil meiner Blogparade sein darf. Danke!
    Herzlich,
    Edith

  • Regula

    Hallo Anette
    Wie spannend – dein Blogartikel! Ich habe in meiner Jugend praktisch keine Sachbücher gelesen. Doch diese 5, die du vorstellst, habe ich tatsächlich alle auch einmal (die ersten beiden mehrmals) gelesen. Einerseits ist es eine schöne Erinnerung, andererseits ist es sehr interessant zu hören, was du dazu denkst und was die Bücher in dir ausgelöst haben. Danke!
    Grüessli
    Regula

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