Blogdekade 2022,  Gedanken aus dem Wohnwagen

#22 Gedanken aus dem Wohnwagen – Wann beginnst du zu leben?

Reisen mit dem Wohnwagen und autark stehen (nicht auf dem Campingplatz bei den Dauercampern) hat einen positiven Nebeneffekt: Du kommst mit den verschiedensten Menschen ins Gespräch. Meist geht es um Gott und die Welt. Was sonst?

Bekanntschaften im Sabbatical

Im letzten Jahr haben wir zum Beispiel ein junges Pärchen (Ende 20) kennengelernt, die ihren Arbeitsplatz im Krankenhaus und in der Resozialisierung mit jugendlichen Straffälligen aufgegeben, die Wohnung gekündigt haben und in ihren umgebauten Van gezogen sind. Sie wollten nicht warten, bis irgendwann der Zeitpunkt da war, um die Welt zu erkunden. Sie machten es genau jetzt. Wie lange? Das wussten sie noch nicht so genau. Angst vor der Zukunft? Ja. In erster Linie, dass sie keinen Job finden. Ich denke, als Krankenschwester und als Sozialpädagoge mit beruflicher Erfahrung eine unberechtigte Sorge. Sie hatten aber eigentlich andere Bedenken: dass sie dieses andere Leben, das sie genau jetzt leben, mehr schätzen lernen, und sich nicht wieder in den Alltag einfügen können.

Für mich völlig nachvollziehbar. Nach meinem Sabbatical ging und geht es mir nicht anders – ich kämpfe immer noch.

Ein Fall von Midlife-Crisis?

Jetzt haben wir einen Menschen kennengelernt, nenne wir ihn Franz (wir sind ja schließlich gerade in Bayern), der ein Leben gelebt hat, wie es die Gesellschaft erwartet: jung geheiratet, drei Kinder bekommen, Haus gekauft / gebaut, in der Jugendarbeit und der Gemeinde ehrenamtlich tätig gewesen, immer viel gearbeitet, damit alle gut versorgt sind und zumindest ein wenig Urlaub innerhalb Deutschlands möglich ist. Und heute? Er ist geschätzt Ende 40 Jahre alt (vielleicht sogar älter, ich konnte ihn schlecht schätzen), geschieden, ein erwachsenes Kind lebt noch bei ihm. Er fragt sich, wozu er das alles gemacht hat. Kommentar: “Der ganze Stress hat sich überhaupt nicht gelohnt”. Und nun?

Er hat sich ein Auto gekauft, in dem eine Schlafmöglichkeit besteht, ein Top-Case aufs Dach gebaut und so langsam probiert er, in Deutschland zu reisen und einfach irgendwo zu stehen und zu übernachten. Seine derzeitige Partnerin unterstützt ihn dabei. Beide probieren immer wieder neue Dinge aus: Paragliding, surfen, reisen. Hört sich nach Midlife-Crisis an? Mag sein. Mit Sicherheit ist seine Ausrichtung an seinen ursprünglichen Lebenszielen (welche waren das eigentlich?) nicht optimal gelaufen. Franz steht in der Lebensmitte und die Vorstellung von der verbleibenden Zeit hat sich im Gegensatz zum jungen Menschen deutlich verändert. Die Vorstellung, dass noch eine unendliche Lebenszeit vor ihm liegt, gibt es nicht mehr. Alles wird endlich. Und damit auch seine Ziele.

Oder doch eine neue Chance?

Für mich allerdings sieht das eher wie eine glückliche Fügung aus, dem Leben eine Chance und neuen Sinn zu geben, seine eigene Identität zu hinterfragen und zu relativieren. Versteh mich bitte nicht falsch: natürlich kann eine Midlife-Crisis die Gefahr einer Überschneidung mit einer Anpassungsstörung oder einer psychischen Erkrankung beinhalten. Sollte das jedoch nicht der Fall sein, gehen die Menschen meist gestärkt, mit mehr Reife und einer bewussten Lebenshaltung aus dieser Zeit heraus.

Und das wiederum gibt dem Leben eine Chance. Eine Neuorientierung ist dann möglich. Im Fall von Franz ist das eben das ausgebaute Auto, das es ermöglicht, vorsichtige Erkundungen zu starten, neue Bekanntschaften und Erfahrungen zu machen, das Leben anders zu erfahren.

Im Falle des jungen Pärchens ist es ähnlich: Sie versuchen, das Leben jetzt zu leben und die Erfahrungen nicht auf später, wenn Zeit ist, zu verschieben. Wer sagt denn, wann die Zeit reif ist?

Fazit

Mir gefallen beide Einstellungen und Entscheidungen. Sie sind anfänglich sicher mit Angst verbunden: vermeintliche Sicherheit aufgeben zugunsten von neuen Erfahrungen. Was haben beide gemein? Sie haben angefangen, einfach zu leben.

Wie sieht das bei dir aus? Bist du schon mittendrin? Überlegst du noch? Stresst dich dein bisheriges Leben? Was hält dich ab? Oder bist du bereits zufrieden?

Fragen über Fragen, die es jedoch wert sind, beantwortet zu werden. Fange an. Jetzt!

Dir gefällt, was du liest? Dann ist mein Newsletter sicher was für dich:

Abonniere meinen Newsletter

Alle zwei Wochen bekommst Du frei Haus meinen Newsletter. Er ist vollgepackt mit Tipps, Inspirationen, Anregungen zum Thema Stressmanagement und Burnoutprävention. Solltest Du ihn wider Erwarten nicht mehr lesen wollen, dann kannst Du ihn jederzeit einfach wieder abbestellen.

Hier bestellen

Eine Antwort schreiben

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert