Methoden

Kritik an Zeitmanagement Tools

Im Rahmen der #Blogdekade habe ich mich Zeitmanagementmethoden gewidmet und verschiedene vorgestellt. Warum habe ich das gemacht? Ganz einfach: weil ich in meinen Kursen zum Thema Stressmanagement immer wieder gefragt werde, ob ich denn auch zeige, wie die Teilnehmer:innen ihre Zeit besser und effektiver nutzen können. Meine Antwort darauf ist: Grundsätzlich zeige ich das nicht. Denn bevor du dich an Zeitmanagement Tools machst, solltest du dir eine Frage beantworten: Wofür willst du dich denn besser organisieren? Und sind dafür diese Tools auch das geeignete Mittel dafür?

Wofür benötigst du ein besseres Zeitmanagement?

Vor fast zwei Jahren habe ich bereits einen Artikel über dieses Thema verfasst. Darin beschreibe ich, dass viele meinen, ein vernünftiges Stressmanagement nicht zu benötigen. Vielmehr sei eine bessere Organisation ihrer Zeit nötig, dann klappe alles andere auch besser. Die Erfahrung in meinen Kursen bestätigt das: gerade stark gestresste Menschen denken genau in diese Richtung. Eine bessere Zeitorganisation helfe, alle Probleme zu lösen. Stressmanagement koste nur Zeit, von der sie ohnehin viel zu wenig haben. Der Tag hat für viele einfach nicht genug Stunden, also muss eine bessere Einteilung der vorhandenen Zeit her. Oder etwa nicht?

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich Zeitmanagementmethoden unter diesem Gesichtspunkt überhaupt vorstellen soll. Zwar nutze ich die eine oder andere auch, muss aber gestehen, die eine Methode habe ich nicht. Alle haben sowohl Vor- als auch Nachteile. Mittlerweile habe ich mich persönlich für eine Mischung aus verschiedenen Tools entschieden, die mir helfen, meine Ziele genau zu definieren, meine Zeit zu strukturieren und effektiv Zeit übrigzuhaben, die ich für andere schöne Dinge nutzen kann und die ich mir nicht mit mehr Arbeit zuballere. Genau das ist mein entscheidender Grund für solche Methoden: Mehr Zeit für mich und das Leben zu haben.

Was bewirken Zeitmanagement Methoden?

Zeitmanagement – ein Wort, das bereits “Management” enthält. Die Zeit vergeht ja ohnehin Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute. Also managen wir wirklich die Zeit? Die läuft auch ohne uns weiter. Ist es nicht viel eher eine Art “Selbstmanagement“? Wie wir selbst mit unserer Zeit positiv umgehen? Sind solche Tools dann nicht eher dafür da, uns zu unterstützen, um unsere Zeit gut zu nutzen?

Bestimmt hast du schon den einen oder anderen Tipp erhalten, bevor du überhaupt an Zeitmanagement gedacht hast. Sowas wie: “Schalte dein Handy doch einfach leise / aus / in den Flugmodus” oder “Du musst Privates von Arbeit trennen” oder was auch immer. Das sind alles gut gemeinte und schnell geäußerte Tipps. Sie helfen dir aber in der Umsetzung nicht sonderlich weiter, weil sie undefiniert bleiben. Zeitmanagement Methoden geben dir jedoch eine klare Anleitung, wie du etwas machen sollst, um xy zu erreichen. Das ist wahrscheinlich auch der größte Vorteil: Du musst nicht lange über die Umsetzung nachdenken, du setzt genau nach Anleitung um. Du analysierst, setzt deine Ziele fest, priorisierst, schreibst deine Liste, wendest an.

Und gleichzeitig ist das auch wiederum der Nachteil, denn eine Anleitung beinhaltet wenig Raum für Flexibilität. Das bedeutet wiederum, dass du die Methoden ausprobieren solltest – und zwar ernsthaft. Erst dann kannst du entscheiden, was für dich am besten passt. Ohne Zwang, und nicht, weil alle gerade die Methode xy gut finden oder sie in Mode ist. Sie sollte dir das Leben leichter machen, nicht schwerer, sie muss zu dir passen, nicht umgekehrt, du zu ihr.

Im Folgenden gehe ich auf die einzelnen Methoden meiner bisherigen Artikel zu Zeitmanagement Methoden ein. Hier findest du eher eine Übersicht der Kritik. Sie kann dir als Entscheidungshilfe dienen.

1. Die 2-Minuten-Regel

Sie kann wohl dem Bereich “Get the Things (oder wie ich es liebevoller bezeichne “Shit”) done” zugeordnet werden.

Alles, was du innerhalb von 2 Minuten erledigen kannst, das solltest du sofort erledigen. Nicht mehr und nicht weniger. Hört sich zunächst ja mal gut an, denn dann häuft sich kein nerviger Kleinkram an. Soweit so gut.

Was mache ich aber, wenn ich mitten in einer größeren Aufgabe bin und plötzlich erscheint eine Sache, die ich in maximal 2 Minuten erledigt hätte? Streng genommen müsste ich die aktuelle Aufgabe unterbrechen, an der ich vielleicht sehr konzentriert gearbeitet habe, um den “Kleinkram” zu erledigen. Studien belegen jedoch, dass wir ca. 11 Minuten oder länger benötigen, um nach einer Unterbrechung den ursprünglichen roten Faden wieder aufzunehmen. Das ist doch keine Zeitersparnis. Daher kommt diese Methode für mich persönlich nur am Anfang einer Arbeitsphase infrage, nicht aber zwischendurch. Für eine konsequente Anwendung erscheint sie mir deutlich überbewertet.

2. Die Eisenhower-Methode

Bei der Eisenhower-Methode teilst du deine Aufgaben entsprechend der Eisenhower-Matrix in vier Quadrate ein:

  1. Dringend, aber nicht wichtig
  2. dringend und wichtig
  3. nicht wichtig und nicht dringend.
  4. Wichtig, aber nicht dringend

Entsprechend deiner Einteilung handelst du auch:

  1. Delegieren
  2. Sofort erledigen
  3. In den Papierkorb, Stapel oder Ablage
  4. Termine vereinbaren

Die Vor- und Nachteile habe ich im Artikel beschrieben. Daher fasse ich meine Kritik mithilfe von Fragen kurz zusammen:

  1. Was ist die Definition von “Wichtig”? Wer bestimmt das? Die allgemeine Politik, meine Vorgesetzten oder ich persönlich?
  2. Wie ist das mit dem Delegieren, wenn ich niemanden dafür habe? Was mache ich dann? Und wenn ich jemanden habe, gebe ich dann unbequeme Aufgaben nicht eher mal ab, obwohl sie in meinen Aufgabenbereich fallen? Verschwimmen die Aufgabenbereiche dann nicht untereinander?
  3. Was mache ich mit Aufgaben, die sich auf andere auswirken? Also z.B. wenn die Arbeit anderer Kolleg:innen von meiner Erledigung abhängen, ich das aber nicht als dringend erachte?
  4. Oder kannst du zum Beispiel einfach so ohne mit der Wimper zu zucken E-Mails, die weder wichtig noch dringend sind, löschen? Was ist, wenn sich herausstellt, du hast dich geirrt?

Mir persönlich ist diese Methode zu unflexibel und starr. Für bestimmte und überschaubare Aufgaben und Projekte finde ich sie allerdings hilfreich.

3. Die SMART-Methode

Die SMART-Methode wird eingesetzt, wenn du eine klare Zieldefinition haben möchtest. Damit bestimmst du auch, wofür du deine Zeit einsetzen möchtest. Du formulierst nach folgenden Kriterien:

  1. Dein Ziel soll spezifisch sein = s
  2. es sollte messbar sein (qualitativ und quantitativ) = m
  3. Um Lust an der Umsetzung zu haben, sollte es attraktiv sein = a
  4. Unter Berücksichtigung der eigenen Ressourcen sollte es realistisch erreichbar sein = r
  5. Und schließlich sollte die Zielerreichung terminiert sein =t

Hast du damit dein Ziel definiert, kannst du loslegen. Denn es genügt nicht, ein Ziel festzulegen, du musst es auch anpacken. Das ist für mich der einzige Kritikpunkt. Nicht ewig an der Zieldefinition arbeiten und die Hände in den Schoß legen. Schließlich hast du dein Ziel ja definiert und fertig! Vielmehr musst du anschließend auch etwas dafür tun, um es zu erreichen.

4. Die “Eat-the-Frog”-Methode

Im Gegensatz zur 2-Minuten-Regel geht es bei dieser Methode darum, dass man als erste Tat des Arbeitsalltages einen Frosch / Kröte schluckt, um hinterher den Kopf freizuhaben für andere Aufgaben. Damit ist eine unliebsame, wenn nicht sogar als “schlimm” empfundene Sache direkt am Anfang erledigt, du schiebst sie nicht mehr auf und du hast einen freien Kopf hinterher. Dazu identifiziere ich meinen Frosch, esse ihn und mache das jeden Tag aufs Neue.

Meine Kritik an der Methode:

  1. Mir schmecken die Frösche nicht immer, vor allem bei langen Aufgaben. Auch das Aufteilen in kleinere Teilaufgaben, die ich wann erledige(?), hilft mir dabei nicht immer, im Gegenteil. Mich macht das eher hibbelig.
  2. Ich habe am Morgen manchmal noch nicht genug Kaffee intus, um den Frosch quasi auf nüchternen Magen zu ertragen. Deshalb mache ich davor lieber kleinere Aufgaben (siehe 2-Minuten-Regeln), um hinterher meinem Gehirn volle Leistung für den Frosch abverlangen zu können. Nach der strengen Auslegung der Methode fängt man aber direkt “immer” mit dem Frosch an. Mir ist das zu unflexibel, denn nicht jeder Tag startet bei mir (und wahrscheinlich bei dir auch) unter den gleichen Voraussetzungen und Energielevel.

5. Von der To-do- zur Ta-da-Liste

To-do-Listen kennen wir alle. Da kommt alles, aber auch wirklich alles darauf, was wir irgendwann erledigen wollen. Und manchmal erschlägt uns die Fülle förmlich. Sie lähmt uns, weil wir nicht wissen, wo wir anpacken und anfangen sollen. Im Artikel dazu habe ich bereits beschrieben, wie und welche To-do-Listen ich für mich schreibe, damit genau das nicht passiert. Trotzdem kommt es immer wieder vor, dass du dich am Abend fragst, wo die Zeit hingegangen ist und was du eigentlich gemacht hast. Genau für solche Augenblicke ist die Ta-da-Liste. Auf ihr steht alles, was du den ganzen Tag gemacht hast. Von Geschirrspülmaschine ausräumen, über Wäsche zusammen legen, Müll raustragen, WhatsApp Nachrichten beantwortet, Termine vereinbart etc. Alles, aber auch wirklich alles, was nicht unbedingt mit Arbeit zu tun hat. So bekommst du einen Überblick dafür, was du tatsächlich geleistet hast. Denn die kleinen Aufgaben, die wir so nebenher erledigen, beachten wir gar nicht. Sie kosten aber genauso Zeit von unserem begrenzten 24-Stunden-Zeitbudget.

Allerdings macht es keinen Sinn, die Liste ständig zu schreiben. Auf die Art und Weise kommst du irgendwann aus dem Listen schreiben gar nicht mehr heraus. Ich mache das nur, wenn ich mich eben frage, wo die ganze Zeit hingegangen ist und: Ta-da! Ich feiere, was ich an diesem Tag doch alles erledigt habe.

6. Die Pomodoro-Technik

Die Pomodoro-Technik ist eine Technik, die den Arbeit-Pausen-Rhythmus streng im Auge hat. Sie besagt, dass du eine Pomodoro-Einheit von 25 Minuten mit einem Timer (im ursprünglichen Fall war das ein Zeitwecker in Tomatenform) stoppst und danach sofort 5 Minuten Pause machst. Nach den 5 Minuten fängt die nächste Pomodoro-Einheit an usw. Nach insgesamt vier Einheiten ist eine längere Pause von ca. 15 – 30 Minuten vorgesehen.

Okay, wir wissen mittlerweile, dass Pausen die Produktivität fördern und ja, es hilft, an längeren Aufgaben dranzubleiben.

Allerdings ist es schwierig, mit Störungen umzugehen. Dafür müsstest du vorher schon überlegen, wie du ihnen begegnest (siehe hierzu auch meinen Artikel). Zudem solltest du auch Ideen für 5 Minuten Pausen haben, um die Zeit effektiv zu nutzen.

Meinem Gehirn fällt es außerdem manchmal schwer, zwischen Arbeit-Pause-Arbeit hin und her zu switchen. Vielmehr denkt es bei Pause, dass diese durchaus länger sein könnte und es jetzt nicht wieder mit Arbeit anfangen möchte. Da muss ich es teilweise richtig überlisten und die kleinen Pausen als Belohnung anlegen. Und umgedreht, manchmal bin ich so im Flow, dass ich nach 25 Minuten nicht unterbrechen, sondern weiter arbeiten möchte.

Du solltest es einfach ausprobieren. Bei mir gibt es Tage, da kann ich super mit dieser Technik arbeiten, an manchen klappt es gar nicht. Wer aber sagt denn, dass ich das muss? Es gibt ja noch genügend andere Techniken.

Zeitmanagement – Fluch oder Segen?

Mit den Methoden des Zeitmanagements kannst du Vorteile nutzen, es gibt aber auch Nachteile, wie du an meiner obenstehenden Kritik zu den verschiedenen Techniken lesen kannst. Ich habe zu Beginn bereits vorgeschlagen, die Techniken einfach auszuprobieren, damit du dich letztendlich begründet dafür oder dagegen entscheiden kannst.

Ein wesentlicher, noch nicht genannter Kritikpunkt ist für mich jedoch folgendes: Mit den unterschiedlichen Techniken willst du ja unterschiedliche Ziele erreichen. Es wird, wenn ein Ziel zu groß ist, bei fast allen Methoden immer wieder vorgeschlagen, Teilziele festzulegen. Das heißt dann jedoch, kleine Ziele des Alltags im Büro oder aber auch privat, zu erreichen. Kleine, kurzfristige, besonders dringende, die du erledigen möchtest bzw. solltest. Birgt das aber nicht wiederum die Gefahr, sich zu verzetteln? Oder noch mehr Listen zu schreiben und nicht ans Abarbeiten zu kommen? Du solltest also deine großen Ziele nach wie vor nicht aus den Augen verlieren.

Zeitmanagement kann dir helfen, dich zu entlasten, dich besser zu organisieren, effektiver zu arbeiten, egal, ob du eine Chaotin oder Perfektionistin bist. Damit sie für dich zum Segen wird, frage dich vorher erstmal, was du damit erreichen willst (siehe oben: willst du noch mehr Arbeit schaffen?). Vernünftiges Zeitmanagement sollte dich entlasten, sollte deine Lebenszeit für dich besser nutzbar machen und vor allem: Es sollte sich gut anfühlen und dir Zeit für die wichtigen Dinge des Lebens geben.

Wenn du dir das klargemacht hast, dann suche dir eine Methode heraus, probiere sie aus, modifiziere oder kombiniere sie, falls nötig. Wichtig ist immer: Verschaffe dir einen Überblick über das, was zu erledigen ist und setze dir schließlich ein Ziel, was du erreichen möchtest (nach welcher Methode auch immer). Wenn du das zum Beispiel nach der SMART-Methode gemacht hast, dann komm schließlich auch ins Tun und Umsetzen.

Die beste Zeitmanagement-Methode hilft nichts, wenn sie auf dem Papier steht, aber nicht angepackt wird!

Ein Kommentar

  • Shivani

    Liebe Anette, das ist eine Übersicht nach meiner Facon. Du machst keinen Druck, zeigst Möglichkeiten auf und auch die Grenzen einer Methode. Ich habe mich wiedererkannt. Bisher konnte ich mich auch auf keine festlegen. Am ehesten klappte es bei mir bisher mit Blockieren von Zeit für ein bestimmtes Thema. Danke für die tolle Übersicht und Grüße aus Spanien!

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